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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

„Das Schicksal, meine Ahnung, mein guter Stern. Wir mußten uns ja wiederfinden.“

„Doch kamen Sie an jenem Abende nicht?“

„Mißtrauten Sie mir deshalb?“

„Ich läugne es nicht, ich zweifelte und trauerte um Sie.“

„Trotz jener Zeilen, die ich Ihnen am Wagen reichte?“

„Sie beruhigten mich nicht.“

„Susanne!“ sagte er vorwurfsvoll, „dann haben wir uns nicht verstanden.“

Sie sah beschämt vor sich herab. „Ich konnte nicht anders, Herr Piat,“ sagte sie schmerzlich. „Es hat mir viele kummervolle Stunden gekostet.“

„Und diese Trauerkleider?“

„Sie gelten dem Zweifel, der mein Herz beschlich.“

„Arme Susanne! Ich zweifelte nicht, und kam nach Irland in dem festen Glauben, Sie zu finden. – Habe ich mich in irgend einem Sinne getäuscht?“

„Nein!“ sagte sie fest und schaute ihm in das Auge.

„So werden Sie das Vertrauen gewinnen, das Ihnen das sociale Leben geraubt hat, und Ihrer innern Stimme wieder Gehör schenken lernen. Morgen früh komme ich zu Ihnen. Nennen Sie mir Ihre Wohnung.“

Die Musik begann von Neuem; das rückkehrende Auditorium trennte sie für jetzt und auch beim Hinausgehen konnte Susanne ihren Freund nur noch durch einen Blick begrüßen. Aber der kommende Morgen, der sollte ihn ja zu ihr führen und jedes Dunkel aufhellen. Trotz der Ermüdung der Reise war sie schon mit anbrechendem Tage wach und lange angekleidet, ehe noch das übrige Haus sich zu regen begann. Die Trauer war abgelegt, eine muntere Farbe hatte die Stelle vertreten und sich dem freudestrahlenden Gesichte angepaßt. So stand sie harrend am Fenster, jeder Männertritt auf der Straße trieb das Blut in ihre Wangen, jedes Klopfen an der Hausthüre vermehrte die Schläge ihres Herzens. Endlich um die zehnte Stunde wurde es draußen auf dem Gange laut und der Diener rief herein: „Herr Piat!“

Vierzehn Tage später in der Abendstunde sehen wir ein Schiff im Hafen von Dublin mit den Vorbereitungen zur Abreise beschäftigt. Passagiere gehen ungeduldig auf dem Deck auf und ab und harren des Zeichens, welches das Lichten der Anker bekundet. Am obern Deck stehen zwei Personen über den Rand gelehnt und schauen sinnig in die mit jeder Minute düsterer werdende Nacht hinaus. Der Herr hält die Hand der Dame in der seinigen, sein Blick leuchtet in hoher Befriedigung, während er sein Auge auf seiner Gefährtin ruhen läßt, die sich an ihn schmiegt, als wolle sie sich seiner Gegenwart noch erst recht versichern, indem sie der Küste den Abschiedsgruß zuwinkt.

„Noch ist es Zeit, Susanne,“ spricht eine tiefe, weiche Stimme. „Ein Wort der Reue oder des Bedenkens, und jenes kleine Boot führt Dich an das Ufer zurück.“

„Wie Du nur fragst, Julius!“ versetzt sie mit ruhigem Lächeln. „Wenn ich nun auch noch umkehren wollte, könnte ich denn, nachdem das große Wort: „und er soll Dein Herr sein,“ gesprochen?“

„Es ist eine Form, deren Sinn wir nicht mehr anerkennen.“

„Aber mein Herz sprach sein Amen dazu, und nimmt es auch jetzt nicht zurück. Und so laß uns denn getrost in Deine Wälder ziehen, mein Julius, und sei versichert, daß die Hütte, die Du mir bauest, stets meine liebste Heimath sein wird.“

Er zog sie sanft an sich und küßte sie leise. „Und Glauben und Vertrauen sei das Motto, das über unserer Schwelle geschrieben, und mit solchen Penaten trotzen wir einer Welt!“ sprach er feierlich, und blickte zu den Wolken auf, durch deren grauen Schleier eben ein Strahl des Mondes hervorbrach, um das Lächeln des Glückes zweier in Harmonie vereinigter Wesen aufzufangen.




Aus der Menschenheimath.

Briefe
Des Schulmeisters emerit. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Eilfter Brief.
Der Kamm.

Wenn Du zu Deinem Nachbar, dem Schreiner oder zu dem Hufschmied des Dorfes gehst und ihnen ein Stündchen bei ihrer Arbeit zusiehst, so wird Dich’s ohne Zweifel wie mich unterhalten, zu sehen, wie sie bald dies, bald jenes Handwerkszeug zur Hand nehmen, um ihre Arbeit damit zu fördern, je nachdem ein jedes dazu geeignet ist. Kommt man aber nun erst in die Werkstätten einer großen Stadt, wo die Meister, wenn sie ihren Vortheil verstehen und nicht träge Stillstandsmänner sind, immer die neuesten vervollkommneten Werkzeuge haben, so staunt man oft über die sinnreichen Verbesserungen, die der Mensch ausgedacht hat, um sich seine Arbeit zu erleichtern und seine Gewerbserzeugnisse immer mehr zu vervollkommnen.

Unsereiner zerbricht sich da oft den Kopf, wozu wohl das oder jenes Werkzeug bestimmt sei, bis es der geschickte Geselle zur Hand nimmt und uns durch den Augenschein darüber belehrt.

Ueberhaupt die Werkzeuge sollten wir, die wir nicht damit arbeiten, und die dies thun erst recht, nicht so gedanken- und empfindungslos ansehen, als es meist geschieht. Mir giebt ein einfaches Instrument, ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_386.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)