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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

der Gutta Pertscha zum Abschlusse zu kommen, dient es den Zahnkünstlern zur Herstellung der Basis zu künstlichen Gebissen und eingesetzten Zähnen, wodurch es ihnen gelingt, eben so bequem als täuschend der Natur ähnlich, noch blühenden Lippen durch Kunst jene Perlenreihen wieder zu verschaffen, deren Verlust in zeitiger Jugend so viele Menschen betrauern müssen.

Vor den „Wundern der Gutta Pertscha“ ziehen wir für diesmal den Vorhang; vielleicht finden wir Veranlassung, ihn später wieder einmal aufzurollen.




Blätter und Blüthen.

Ein Schauspiel ernstester Art nahm vor Kurzem die Theilnahme der Bevölkerung Wolfenbüttels und der Umgegend in Anspruch. Ein allgemein gekannter Bürger, der Friseur Ernst Eduard Dombrowski stand vom 28. Juli bis 2. August vor dem öffentlichen Schwurgericht, angeklagt seine zweite am 16. April d. J. verstorbene Gattin durch Gift getödtet zu haben.

Dombrowski ist aus Dresden gebürtig, wo sein Vater Hoflakei ist, und seit 1839 in Wolfenbüttel wohnhaft. Während seiner Wanderjahre beging er, in Berlin, einen Hausdiebstahl und wurde in Folge dessen aus dem preußischen Staate verwiesen. Seine erste Frau, mit der er ziemlich glücklich lebte, weil sie ein überaus sanftes, nachgiebiges Wesen war, starb im August 1850 an der Cholera und hinterließ zwei noch kleine Kinder. D. zeigte am Sterbebette dieser, wie er selbst sagt, geliebten Frau, eine empörende Herzlosigkeit und Rohheit. Schon im December desselben Jahres verheirathete er sich zum zweiten Male, nämlich mit der Tochter des Registrator Angelstein, ohne für diese eine Neigung zu fühlen und nach seinem eignen Geständniß, nur auf Anrathen seiner Freunde und um eine Pflegerin für seine Kinder zu haben. Diese Ehe war, wie sich voraussehen ließ, nicht glücklich. D. ist ein, bis zur Lächerlichkeit eitler, heftiger, genußsüchtiger und leichtsinniger Mensch. Seine Gattin war eine sparsame, ordentliche Hausfrau, eine liebevolle, sorgsame und aufopferungsfähige Mutter für ihre Stiefkinder, aber etwas aufbrausend, äußerlich unschön, unliebenswürdig und nicht mehr jugendlich. Er schämte sich ihrer, ging nur ungern und selten mit ihr aus, vernachlässigte sie auf jede Weise und verspottete sie oft Andern gegenüber. Sie fühlte sich unglücklich und unbefriedigt, klagte oft über die harte Behandlung seitens ihres Mannes, und war besonders in Verzweiflung, als er ihr einmal gesagt: er würde sie nicht geheirathet haben, hätte er gewußt, daß ihr Erbtheil durch die zweite Ehe ihres Vaters geschmälert würde; aber sie war leicht versöhnlich, lebenslustig und heiteren Sinnes. Ganz glücklich erzählte sie einem Nachbar am Tage vor ihrem Erkranken, am 10. April, daß D. sich plötzlich verändert und sehr freundlich geworden sei, daß er ihr ein Theaterbillet geschenkt und versprochen habe, sie andern Tages zum Ball zu führen. Am Morgen dieses andern Tages, den 11. April, reichte D. seiner Frau eine mit Leberwurst bestrichene Semmel und einige Stunden nach dem Genusse derselben bekam sie Uebelkeit, heftiges Erbrechen und brennende Schmerzen im Magen. Der herbeigerufene Arzt hielt die Krankheit für Brechruhr. D. ging am Abend allein zum Ball, trotzdem er das cito, cito des Arztes auf dem Rezepte bemerkt hatte, tanzte, lachte und scherzte viel, erzählte, daß seine Frau die Cholera habe, und daß sie gewiß sterben werde, deshalb müsse er noch tanzen, ehe er Trauer bekomme.

Das Befinden der Kranken verschlimmerte sich in den nächsten Tagen nicht, besserte sich vielmehr und der Arzt glaubte sie außer aller Gefahr. D. hingegen versicherte seinen Bekannten: sie sterbe gewiß, er wisse das besser als alle Aerzte, und äußerte, daß er sich nun bald um eine dritte Frau kümmern müsse, das solle aber ein blühendes, hübsches Mädchen sein – seinen Kindern versprach er eine andere Mutter, wenn diese todt sei u. s. w. Am zweiten Tage der Krankheit beredete er die Leidende zur Ausstellung einer Schenkungsurkunde ihres ihm zugebrachten Vermögens, trotzdem sie sich dagegen sträubte, weil sie sich nicht so krank fühlte, um diese Maßregel nöthig zu finden. Freitag am 18. bereitete er eigenhändig Sagoschleim mit Rothwein für sie, brachte diesen nach ihrem Zimmer, ließ die Wärterin kosten, kostete selbst, entfernte sich damit in ein Nebenzimmer, brachte das Getränk dann in einem Glase wieder und empfahl es seiner Frau. Nach dem Genusse eines Theils des Sagoschleims empfand die Kranke heftiges Brennen im Magen und mochte nicht mehr davon trinken. Als am Sonnabend Morgen D. in’s Zimmer kam und den Rest bemerkte, stellte er, um ihn zu wärmen, das Glas auf den Ofen, es sprang und die Flüssigkeit ergoß sich vom Ofen auf den Fußboden. D. selbst trocknete Alles sorgfältig auf. Der Zustand verschlimmerte sich nun von Stunde zu Stunde und am Abende starb sie unter heftigen Krämpfen und Schmerzen. D. saß während ihres Todeskampfes im Nebenzimmer auf dem Sopha und rauchte eine Cigarre. Bei einigen Nachbarn war schon Verdacht gegen D. erwacht und einer derselben fragte ihn sogar, ob er sich nichts vorzuwerfen habe. Am Tage vor der Bestattung aber trug der Vater der Verstorbenen bei der Staatsanwaltschaft auf eine gerichtliche Sektion der Leiche an. Als man D. davon benachrichtigte, wurde er selbst unwohl und erkundigte sich ängstlich, ob man, wenn seine Frau wirklich an Gift gestorben sei, dieses noch im Körper finden könne und als er eine bejahende Antwort erhielt, äußerte er: „nun wenn man auch einen ganzen Klumpen fände und ich gestehe nichts, so kann man mir doch nichts thun.“ Bei der chemischen Untersuchung des Magens und der Eingeweide der Verstorbenen fand man ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_353.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)