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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 30. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Das fürchterliche Bett.

Kurz vor der Zeit, wo die Spielhäuser durch die französische Regierung aufgehoben wurden, hielt ich mich mit einem englischen Freunde in Paris auf. Wir waren beide damals junge Leute und lebten beide ein sehr zerstreutes Leben in der ausschweifendsten Stadt unserer Reise. Eines Abends schwärmten wir müssig um das Palais Royal herum und dachten darüber nach, was für ein Vergnügen wir uns nun zunächst machen wollten. Mein Freund schlug einen Besuch in Frascati vor, aber der Vorschlag war nicht nach meinem Geschmacke. Ich kannte Frascati wie man zu sagen pflegt auswendig, hatte dort eine Menge Fünffrankstücken blos um des Spaßes willen gewonnen und verloren, bis es mir keinen Spaß mehr machte, und hatte alle die gräßliche Respectabilität einer solchen geselligen Anomalie, wie ein ehrbares Spielhaus ist, gänzlich satt. „Um des Himmels willen,“ sagte ich zu meinem Freunde, „laß uns irgend wohin gehen, wo wir ein geringes, natürliches, gemeines, armseliges Spiel, mit keinem falschen Pfefferkuchen-Schaumgolde darüber sehen können. Laß uns von den modischen Frascati’s hinweg irgend wohin gehen, wo sie nicht beim Einlasse daran denken, ob ein Mann einen zerrissenen Rock an hat, oder gar keinen.“ – „Gut denn,“ sagte mein Freund, „da brauchen wir nicht aus dem Palais Royal zu gehen, um die Sorte von Gesellschaft zu finden, wie Du sie zu wünschen scheinst. Da ist so ein Platz gerade vor uns. So eine Kneipe in jeder Beziehung, wie sie Dir nur dargeboten werden kann.“ Eine Minute darauf standen wir an der Thür und traten in das Haus ein.

Als wir die Treppe hinaufgestiegen waren und Hüte und Stöcke bei dem Thürsteher gelassen hatten, ließ man uns in das hauptsächlichste Spielzimmer eintreten. So wenige aber auch der Menschen waren, die bei diesem unserm Eintritte auf uns blickten, so waren sie doch alle Muster, gräßliche Muster ihrer verschiedenen Klassen. Wir waren hierher gekommen, um gemeine Leute zu sehen, aber sie waren noch etwas schlimmeres. Bei allem Gesindel kann man doch irgend eine komische Seite der Anpassung herausfinden, aber hier gab es nichts als Tragödie, stumme, höllische Tragödie. Die Ruhe in der Stube war fürchterlich. Der magere, dürre, langhaarige junge Mann, dessen eingesunkene Augen gewaltsam das Umwenden der Karten beobachteten, sprach nie; der fettwammige, aufgeschwollene, sinnige Spieler, der sein Stückchen Pappdeckel unausgesetzt durchstach, um darauf zu bemerken, wie oft

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_321.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2020)