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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

den Körper zu tödten. Hat man nicht gelesen wie Aufständische neuester Zeit in Ermangelung von Blei, mit Stahlfedern ihre Gewehre geladen und damit blutige Schrift geschrieben haben –? Wie kann sich dagegen der weiche Gänsekiel vertheidigen –? Aber auch er hat eine Zeit des Glanzes durchlebt, und noch heute besitzt er seine Verehrer, zu denen auch der Schreiber dieses Artikels gehört. –

Der harte, scharfe, schwer beugsame Stahl wird nie ganz den biegsamen Kiel ersetzen, dessen Weichwerden beim Schreiben man leichtlich Abhilfe verschaffen kann, wenn man etwa zehn bis zwanzig Kiele zugleich in Gebrauch nimmt, die abgeschriebene Feder hinlegt, eine neue ergreift und die gebrauchten Federn erst dann wieder zuspitzt, wenn sie hart geworden sind. –

Man erzählt sich, daß, aus Dankbarkeit, als deutsche Gänse das Kapitol gerettet hatten, die Römer mit den Flügelfedern dieser Gänse zu schreiben anfingen. Das ist aber nur eine patriotische Fabel! Wahr ist nur, daß der Dichter Adelhelmus, der erste Sachse, der in lateinischer Sprache schrieb, etwa um’s Jahr 700 ein Gedicht auf die Schreibfeder gemacht hat; und solches, vom verstorbenen Dr. Emil Vogel in Leipzig übersetzt, lautet also:

„Mich erzeugte dereinst die lichtweiß glänzende Kropfgans,
„Die aus dem Sumpfe das Naß zum weit aufschnappenden Hals bringt;
„Drum streb’ ich aufs Neu’ entgegen schimmernden Fluren,
„Dunkelblau laß’ ich die Spur in dem leuchtenden Wege zurücke;
„Schwärzliche Windungen trägt das also durchackerte Glanzfeld!“

Mit Interesse entnimmt man aus diesen Versen, daß schon im Jahr 700 blaue Dinte Mode gewesen sein muß grade wie jetzt, und daß diese Dinte später schwarz wurde. –

Den steigenden Verbrauch der Stahlfedern hat man nicht nur der zunehmenden Schreibseligkeit (man glaubte nach Erfindung der Buchdruckerkunst, daß es nun ganz und gar mit dem Schreiben aus sein würde) sondern eben so sehr der Bequemlichkeitsliebe und der Unbeholfenheit der Mehrzahl der Schreibenden zuzuschreiben. Denn es ist gar so bequem, wenn die alte Feder nicht mehr schreiben will, anstatt zu spitzen, wie es beim Gänsekiel geschehen muß, eine neue Feder in den Halter zu stecken; und da man heutigen Tags ein ganzes Groß (144 Stück) Stahlfedern für 3 Ngr. erhalten kann, so ist die Ausgabe auch nicht bedeutend. –

Die Fabrikation der stählernen Schreibfedern ist in England entstanden und Birmingham ist dort der einzige Ort, wo sie betrieben wird, ja! man kann wohl sagen: es ist der einzige Ort in der Welt, wo jene Fabrikation zu einer Bedeutenheit betrieben wird.

Die Stahlfeder ist keine Erfindung der Engländer, denn schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts hat man Stahlfedern in Bestecken gesehen. –

1820 verkaufte ein alter Schreibmeister selbst gemachte Stahlfedern in Leipzig das Stück für 10 gute Groschen als Seltenheit. –

Sie würden heute noch eine Seltenheit in Deutschland sein, wenn man sich nicht in England der Sache angenommen hätte. – Dort verschwendete man von jeher in Gänsekielen. Man hat berechnet, daß unter zehn gebrauchten Kielfedern nur eine einzige wieder zugespitzt wurde. –

Die Schreiberei der großen Bankhäuser der Kompagnien und Behörden in England verlangte Unmassen von Kielen, die nach einmaligem Gebrauch von Krämern aufgekauft und wieder verkauft wurden. Ein Haus in London ließ jährlich etwa 6 Millionen Stück Kiele zu Federn schneiden. – Gegen eine solche Verwüstung ihres Gefieders vermochten die Gänse nicht mehr aufzukommen. – Man griff mehr zum Stahl.

Gillot in Birmingham war der erste der (1828) Durchschlagmaschinen und Pressen einrichtete, um Stahlfedern im Großen zugleich billig und gut zu fabriziren. Er bewirkte dies durch Dünnwalzen des Stahlblechs, Herausschneiden der Feder, noch platt, aus dem Stahlblech mit Hilfe einer kleinen Maschine, wie man sie auf unserem Bilde, bewegt von Frauenhand, erblickt;

dann Rändern der Federn und Spalten derselben mittels Stempeln und Messerchen; und das Alles mittels Pressen, ähnlich der auf unserem Bilde. – Daß außer diesen Hauptbehandlungen die Federn noch gehärtet und geschliffen werden müssen, versteht sich von selbst. – Zuweilen werden sie durch Einfluß von Hitze blau oder gelb angelassen, mit allerlei Formen, Zeichnungen und Worten beprägt. Man giebt ihnen einen Lack und packt sie sauber und zierlich ein. Das Aussehen verkauft ja die Waare! Man hat in neuerer Zeit Federn angeblich aus merkwürdigen Compositionen ausgeboten. Dieselben sollen elastischer sein als Stahl und von der Dinte nicht so angegriffen werden. – Sie sind aber eben nur aus Stahl. Alles Andere ist Humbug. –

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_318.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)