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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Landschaft. Stadt und Umgebung - Felsen und Ebenen - Alles hat denselben weißlich erdfahlen Ton. Die Stadt liegt etwas ansteigend, ganz wie eine maurische Stadt an dem unbedeutenden Hafen. Die dachlosen Häuser ließen mir hier mehr als in dem freundlicheren Barcelona die Straßen wie nach einem Brande erscheinen. Würde man einen Deutschen plötzlich in eine der neuen aber ziemlich engen Straßen Alicante´s versetzen, er würde zweifelsohne glauben, es habe eine Feuersbrunst von allen Häusern, hoch und niedrig bunt durcheinander stehend, die Dächer verzehrt.

Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen den Eindruck beschreibe, den Stadt und Umgegend nach mehrstündigem Herumstreifen auf mich gemacht hat, tiefer, als ich je vorher irgend einen Eindruck erhalten habe.

Rechts erhebt sich neben der Stadt ein hoher steiler Felsen, den die Citadelle krönt. Er ist wie Alles von erdfahler Farbe und im buchstäblichsten, trostlosesten Sinne des Wortes kahl und todt, als wäre vor kurzem rings um ihn herum die Oberfläche abgesprengt worden. Hinter der Stadt dehnt sich eine Ebene aus, von einer Stunde Durchmesser etwa, und jenseits derselben, links bis an das Meer herantretend, wie immer an der spanischen Küste, so weit ich sie bis jetzt gesehen habe, eine Kette malerischer nackter Berge. Alles anscheinend öde und todt. Nachdem ich endlich aus den Klauen der kleinlichen Aduana erlöst war - ein Peseda (4 Ngr.) waren ein schnelles Erlösungsmittel gewesen, ich kann aber einmal einen Beamten nicht für bestechlich halten – und in der Fonda del vapor meine Sachen untergebracht hatte, lief ich hinaus, landeinwärts, um Leben, Pflanzen- und Thierleben, zu suchen. Alles was ich fand - es war sehr wenig - lechzte nach Wasser. Kleine Felder Wintergerste und Bartweizen (Triticum durum) hatten bereits verblüht und, da die Bewässerungszeit wahrscheinlich längst vorüber war, so müssen sie nun aus der Luft die nöthige Feuchtigkeit zum Reifen ihrer Körner saugen. Ich verstand die Aufschrift über dem Eingange des großen Amphitheaters zu den Stiergefechten: Entrade á la Sombra, Eingang in den Schatten! Es war die Abendseite für die Reichen. Die Armen müssen auf der Ostseite braten. Wohin ich sah - nirgends sah ich einen Tropfen süßen, trinkbaren Wassers. Alle die wenigen tiefen Brunnen, aus denen Maulthiere mit verbundenen Augen in ewigem Kreisgange mittels einer Schnecke das Wasser zum Bewässern herausholen, enthalten, wenn auch nur wenig, aber doch salzigschmeckendes ungenießbares Wasser. Ich trank nachher am Tische des englischen Consuls mattes Cisternen- also Regenwasser. Anderes giebt es in Alicante nicht! Uebrigens herrscht auch hier der Bastard von Winter und Sommer, den man hier Frühling nennt! Alle sommergrünen Bäume noch laublos - das Getreide im Verblühen; kein Insekt, keine Schnecke noch zu sehen - Die Dattelpalme fing eben an ihre mächtigen Blüthentrauben zu entfalten. Lauter Contraste! - Aber für den Botaniker sproßte zwischen den Steinen der trocknen Hügel dennoch eine reiche Ausbeute. Es schmerzte mich, hier noch nicht, da ich übermorgen weiter nach Süden will, zum Botanisiren vorbereitet zu sein. Jede Pflanze war mir neu und interessant. Hier sah ich auch, was ich in einem früheren Briefe voraussagte, die gigantische Opuntia an ihrem Platze. Auf kahlen Felsen, neben niedlichen blühenden Kräutern, stand der Riese über mannshoch am Dache einer Hütte, die in den bröckeligen Felsen hineingewühlt war, um einigen Schutz vor der Hitze zu haben. Zu meiner Verwunderung sah ich nirgends eine Spur von der Agave.

Nach dem Mittagsessen führte mich der englische Consul, Colonel Barrie, auf sein Landgut. Ich möchte wissen, was ein deutscher Handelsherr zu dem Landgute des englischen Consuls in Alicante gesagt haben würde! Eine felsige Oede, darin einige kleine Getreidefelder von Hafer, Gerste und Weizen, einige noch niedrige Dattelpalmen, einige Feigen- und Algarrobebäume und einige Opuntien. Das war das Landgut! Als ich den Besitzer fragte, ob einige junge Opuntiapflanzen wild gewachsen oder und dann wozu gepflanzt seien, sagte er, „gepflanzt! um auf dem dürren Felsen etwas Grün zu sehen, und nebenbei der Früchte wegen.“

Hätte ich es nicht von drei Personen gehört, so würde ich es jetzt nicht weiter zu erzählen wagen: es hat in Alicante seit neun Jahren nicht geregnet, ausgenommen seltene halbstündige Sprühregen!

Dennoch haben die von der Natur so stiefmütterlich behandelten Menschen einen bessern Eindruck auf mich gemacht, als die Catalonier. Sie sind mehr echte Spanier. Später, wenn ich sie näher kenne, werde ich Ihnen von denselben erzählen. Wo diese thätigen Leute Wasser hinbringen können, da entfaltet sich aber auch ein fabelhafter Pflanzenwuchs. Auf einer neu angelegten Plazuela waren die jungen Ulmen in zwei Jahren, wie bei uns in zehn gewachsen, und auf den Beeten prangte am 30. März der üppigste bunteste Blüthenflor. Aber nirgends sah ich Orangen und die andern zahlreichen immergrünen Büsche Cataloniens.

Mit einem Worte: die Sonne ist machtlos ohne Wasser! Beide aber sind die verbündeten Zauberer, welche die Erde zu einem Garten machen.




Den 3. April. 

Um mir eine möglichst vollständige Uebersicht über die so fremdartige Landschaft, welche Alicante mit seinen Umgebungen bildet, zu verschaffen, bin ich heute den ganzen Tag herumgelaufen. Wenn man sich an die Dürre des Bodens und die Sparsamkeit des Pflanzenwuchses gewöhnt hat, so findet man bald Geschmack an der Schönheit der großartigen Berglandschaft, in welcher die morgenländisch aussehende Stadt am Ufer des blauen Meeres liegt. Hinter der Huerta (zu Deutsch Garten) erheben sich zunächst niedrige, zum Theil mit Außenwerken gekrönte Hügel, denn Alicante ist eine Festung. Hinter diesen Vorbergen erheben sich in malerischen Umrissen bedeutende Berge in immer weiterer Ferne, bis die entferntesten als blaue Schatten halb verschwinden. Als ich mich von der Puerta de San Francisco links nach der Küste gewendet hatte, wurde ich durch einen kleinen Opuntien-Wald überrascht, denn so konnte man ihn wohl nennen. Von doppelter Manneshöhe und mit kurzen mannsdicken Stämmen bildeten die bizarren Gewächse ein undurchdringliches Dickicht. Ein solches Opuntiengebüsch macht einen wahrhaft märchenhaften Eindruck. Wehe dem, der die riesigen, eirunden Stengelglieder berührt, denn die feinen Stachelbündel dringen tief in die Haut ein und verursachen einen heftigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_279.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)