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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 26. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter für 10 Ngr. vierteljährlich zu beziehen.


Veilchen.

Nach dem Leben.
(Schluß.)


Rastlose erhöhte Thätigkeit ist die beste Arznei gegen den Gram. Die beiden Brüder hatten dies vor Jahren schon und jetzt wieder erprobt. Mit Unruhe sahen sie, wie Veilchen’s Auge immer trüber, ihre Wangen immer blässer wurden, wie sie selbst hinsiechte, und sie beriethen sich unter einander, auf welche Weise das Heilmittel am leichtesten anzuwenden sei.

„Sie soll das Kleider- und Putzmachen lernen,“ sagte Moses. – „Die Besorgung des Hauswesens läßt ihr noch zu viel Zeit zum Brüten. Das wird sie zerstreuen und außerdem kann sie sich etwas verdienen, womit sie einmal ihre Ausstattung bestreiten kann.“

„Es ist überhaupt gut,“ bemerkte Levi, „wenn sie ein wenig unter die Menschen kömmt. Die Mutter hat es nach ihrer Art recht gut mit ihr gemeint, daß sie das Kind beständig unter ihren Fittigen hielt, aber das taugt nichts für ein junges Mädchen, wenn sie ist, als wäre sie in die Welt hineingeschneit.“

„Sehr richtig. Vielleicht wäre es dann am besten, wir suchten einen anständigen Dienst für sie. Bei fremden Leuten wird sie Welt und Menschen schneller und besser kennen lernen, als bei uns zu Hause.“

„Könntest Du es denn über das Herz bringen, Dich von dem guten Kinde zu trennen?“ fragte Levi mit gerührter Stimme.

„Freilich, freilich, das Herz würde mir bluten, wenn ich sie in die kalte herzlose Welt schicken müßte,“ erwiederte Moses, der ebenfalls weich geworden war. – „Nur der Gedanke könnte mich trösten, daß es zu ihrem Glücke wäre. Noch eins, lieber Levi,“ fuhr der ältere Bruder zögernd fort – „komme es, wie es will – mag sie nun bei uns bleiben oder nicht – das wollen wir nicht länger verschieben, was mir zur Begründung ihres äußeren Glückes nothwendig scheint – Du weißt, was ich meine.“

„Ich verstehe Dich vollkommen,“ fiel Levi ein. – „Du sprichst von ihrer Taufe. Du hast ganz recht; als Jüdin wird sie stets auf Hindernisse bei ihrer Lebensreise stoßen. Ueberdem ist die Rücksicht auf unsere gute Mutter weggefallen.“

„Doch muß der Uebergang leise sein. Wenn wir ihr die Binde jäh von den Augen rissen, könnte sie leicht mit der Achtung vor der alten Lehre auch die vor ihrer Lehrerin verlieren. Sie hat noch nicht genug Verstand und Menschenkenntniß, um zu wissen, daß man in verjährtem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_273.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)