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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Kaisers, halb ihm zum Trotz, und diente sie damals eben so zur Bedrohung Konstantinopels wie jetzt zu seinem Schutz. Rumili Hissar besteht aus fünf dicken, runden, durch starke Mauern unter einander verbundenen Thürmen; seine Gestalt ist im höchsten Grade unregelmäßig, weil dem Willen Mohamed’s gemäß durch die Mauern des Schlosses der arabische Schriftzug des Namens Mohamed dargestellt wurde. Der Hauptsache nach wurde der Bau, der weit fester ist als es, vom Meere aus gesehen, scheint, in dem kurzen Zeitraum von drei Monaten beendet. Das Schloß auf der asiatischen Seite stammt aus etwas früherer Zeit; beide, die auch zu Staatsgefängnissen und heimlichen Hinrichtungen dienten, wurden im Laufe der Zeit noch mehr befestigt, und ihnen an reiht sich eine doppelte Reihe von Festungen und Batterien bis zum Eingange des schwarzen Meeres. Diese Befestigungen und die durch zahlreiche hervorspringende steile Landspitzen veranlaßten heftigen Strömungen und Gegenströmungen des Wassers machen den Bosporus für feindliche Schiffe unzugänglich, und haben ihn wenigstens solche noch nie passirt.

Denselben Charakter trägt die 16 Stunden lange und 1/2 bis 2 Stunden breite Dardanellenstraße, der Hellespont der Alten. Die eigentlichen (alten) Dardanellenschlösser, Killid-Bahar in Europa und Boghaz-Hissar oder Sultanieh Valessi in Asien, ließ derselbe Mohamed, der Rumili Hissari am Bosporus erbaute, nachdem er Konstantinopel erobert hatte, an der schmalsten Stelle der Meerenge anlegen. Die Schlösser stehen nur etwa 2000 Schritt auseinander und sollte ursprünglich die Wasserstraße an dieser Stelle noch mit Ketten gesperrt werden, hauptsächlich zum Schutze gegen die Flotten der damals noch mächtigen italienischen Handelsrepubliken. Später wurden an der Einfahrt aus dem ägäischen Meere die beiden neuen Dardanellenschlösser, auf der europäischen Seite Sitil-Bahar, gegenüber Kum- oder Kanah-Kalesi auch Hissar-Sultani (s. d. Abbildung) angelegt, an welche sich die ganze Meerenge entlang eine Reihe von Befestigungswerken und Batterien schloß, die bei gut unterhaltenem Zustande die Durchfahrt feindlicher Schiffe schlechterdings unmöglich machen, da der Weg an mehr als 800 Feuerschlünden (1 bis 1600 Pfündern) vorübergeht. Mit dem allgemeinen Verfall des türkischen Reichs waren indeß auch diese wichtigen Festungswerke in Verfall gerathen, und so konnte im Jahre 1770 der russische Admiral Elphinstone zwei türkische Linienschiffe die Dardanellenstraße entlang verfolgen, ohne auch nur von einem einzigen Schusse getroffen zu werden. Dieses, die Türken überraschende Ereigniß veranlaßte zwar eine umfassende Wiederherstellung der Befestigungswerke, welche aber von so geringer Dauer war, daß hinwiederum der englische Admiral Duckworth mit acht Linienschiffen, vier Fregatten, nebst einer Anzahl Brander und Bombardierboote am 19. Februar 1807, ebenfalls ohne Verlust zu erleiden die Dardanellenstraße passirte, und folgenden Tages, um den zwischen der Pforte und England schwebenden Unterhandlungen Nachdruck zu geben, vor Konstantinopel erschien. Die von den Türken unter der Leitung des französischen Gesandten Sebastiani schnell ergriffenen Vertheidigungsmaßregeln bestimmten jedoch den englischen Admiral zur Umkehr, die er am 2. März antrat, und dabei die Dardanellenschlösser bereits so weit wieder hergestellt fand, daß er die Durchfahrt nicht ohne Verlust bewerkstelligen konnte, ja seinem eigenen Geständnisse nach einige Tage später verloren gewesen sein würde. Dies war das letzte Mal, wo eine feindliche Flotte die Dardanellen passirte, und in neuerer Zeit mögen europäische Ingenieurs die Befestigungen in einen Zustand versetzt haben, der Konstantinopel auch von dieser Seite her gegen einen Angriff zur See vollkommen sicher stellt.

Den Bosporus zu passiren wurde von feindlichen Schiffen nie ein Versuch gemacht, wohl aber durchsegelte ihn, von der Pforte zu Hülfe gerufen, im Februar 1833 eine russische Flotte, und schiffte auf der asiatischen Seite ein Heer von etwa 20,000 Mann aus, um dem siegreichen Vorwärtsdringen Ibrahim Paschas und seiner Aegyptier Einhalt zu thun. Zum Lohn für die geleistete Hülfe brachte Rußland damals den Vertrag von Unkiar Skelessi zu Stande, wornach ihm das Recht zukam, über die Oeffnung oder Schließung der Dardanellen mit zu verfügen, und der deshalb von Frankreich und England nicht anerkannt wurde. Nach Ablauf dieses auf 8 Jahre lautenden Vertrags schlossen im September 1841 die fünf Großmächte Rußland, Oesterreich, Preußen, England und Frankreich mit der Türkei einen gemeinsamen Vertrag, demzufolge die Dardanellen für Kriegsschiffe jeder fremden Nation geschlossen blieben. Die Großmächte machten sich ferner anheischig, keine Gebietserweiterung auf Kosten der Pforte zu unternehmen, keine Gunst, deren nicht alle gleich theilhaftig, zu beanspruchen, und schon diesen Bedingungen gegenüber liefen mithin Rußlands jüngste Forderungen auf einen Bruch des Vertrags von 1841 hinaus.

Die Erfahrung hat bewiesen, daß dieser, offenbar zur Aufrechthaltung der Pforte geschlossene Vertrag dem zerrütteten Staate so gut wie nichts gefrommt. Von offener Gewalt wird zwar Rußland jetzt vermuthlich absehen, weil sonst die englische und französische Flotte der Pforte zur Hülfe doch im schwarzen Meere erscheinen könnte, und dann die russische Flotte, Odessa und die übrigen Niederlassungen der Russen an der Küste gefährdet wären. Dem aber wird sich Rußland schwerlich aussetzen wollen, und eher der Zeit und den Umständen überlassen, sich den in der Auflösung begriffenen Osmannenstaat als Beute in die Hände gespielt zu sehen.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_258.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)