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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Rathsherrn Karsten Rodenwald durchbohrt, todt zu Boden sank, ergab sich der Rest der Besatzung den siegenden Bürgern, während die Flammen des durch den Kampf in Brand gerathenen Klosters ihren Glutschein weit hin über die dunklen Häusermassen der Stadt und deren Umgebung warfen, und als sich gegen Vormittag 10 Uhr die Strahlen der Sonne Bahn brachen durch die dicken Nebel eines trüben Winterhimmels, verkündeten nur die schwarzen Rauchsäulen, welche aus den Trümmern der Klosterkirche aufstiegen, daß da oben des Krieges Verwüstung geherrscht; vom höchsten Thurme der Burg wehete stolz das Panner der Stadt Lüneburg, in der Stadt selbst aber mischte sich der Jubel der Sieger mit den Wehklagen der Frauen und Kinder, deren Gatten und Väter als Opfer des Kampfes gefallen, denn es hatte die Stadt bei diesem Ueberfall über 130 ihrer wackersten Kämpfer verloren.




Am Abend desselben Tages jagten zwei Reiter auf verschiedenen Wegen der Stadt Lüneburg zu. Der eine derselben war ein Eilbote des Herzog Magnus, welcher dem Commandanten des Kalkberges den Befehl bringen sollte, streng das Treiben der rebellischen Bürger zu überwachen und der Festung wegen Tag und Nacht auf der Huth zu sein. Der andere Reiter war der Kriegshauptmann Becker, welcher eine Stunde früher todtmüde auf schaumbedecktem Rosse am Stadtthore hielt, welches sich ihm, der die Verfolger oft hart hinter sich gehabt, aber trotz der Erschöpfung seiner körperlichen Kräfte ohne Gefahren glücklich entronnen war, sogleich öffnete.

Des Herzogs Boten aber empfingen Steinwürfe und Geschimpf, als er dem Burgthor sich näherte, und Einlaß im Namen des Herzogs begehrte; als er aber erkannte, daß die Burg bereits in den Händen der feindlich gesinnten Bürger sei, da wendete er entsetzt sein Roß zur schleunigen Rückkehr nach Celle, um dem Welfenherzog das Unglaubliche zu verkünden. –

In fieberhafter Aufregung hatte Elsbeth der Ankunft des Geliebten geharret, und während der blutigen Ereignisse des Tages qualvolle Stunden in ihrem Gemach einsam verlebt, und mit dem freudigen Ausruf: „Gott sei Dank, Du wieder hier!“ sank sie in Becker’s Arme, als dieser des Bürgermeisters Haus betrat.

Staunend vernahm dieser aus Elsbeth’s Munde, wie schnell Lüneburg die Eroberung der Festung gelungen, und als bald darauf Ulrich von Weißenburg eintrat und erfreut über die glückliche Rückkehr Becker’s ihn zum ersten Male an seine Brust zog, da eilte auch die Tochter von ihrem Gefühl übermannt unter Freudenthränen an das Vaterherz.

„Du hast bereits durch Elsbeth erfahren, daß auch wir nicht unthätig gewesen,“ begann jetzt der Bürgermeister, als Becker die glückliche Ausführung seines Auftrags ihm mitgetheilt – „doch wird wohl noch manch’ schwere Stunde uns treffen, ehe wir gänzlich befreit vom Joche dieses Wüthrichs, der so oft schon geschworen, eher all seine Städte der Erde gleich zu machen, als deren Trotz zu dulden.“

„Mir will es scheinen, als wende sich des Magnus Glücksstern gänzlich von ihm und als gehe es mit all’ seiner Macht zur Neige,“ bemerkte Becker, während Elsbeth an des geliebten Mannes Seite, dem sie indeß den stärkenden Imbiß bereitet, der Männer Rede aufmerksam lauschte. –

„Jedoch“ – fuhr Becker fort – „wird der rachsüchtige Herzog gewiß nicht säumen, uns seinen Zorn fühlen zu lassen, sobald seine Händel es ihm irgend gestatten, und darum mag Lüneburg vor Allem scharfe Wacht halten bei Tag und Nacht, auf Wall und Festung.“

„Wir haben bereits darüber im versammelten Rathe gesprochen,“ entgegnete der Bürgermeister, ernst des künftigen Schwiegersohnes Hand ergreifend, – „und da Du, Becker, unser Vertrauen stets gerechtfertigt, und es Dir nicht fehlt an Muth und Umsicht, so haben wir heut’ Abend noch den Beschluß gefaßt, Dir den Oberbefehl über die bewaffnete Macht der Stadt zu übertragen, und ich bin überzeugt, daß die Stadt Lüneburg nicht schlecht dabei fahren wird.“

„Ha!“ rief freudig überrascht Becker. „Auch dies danke ich Eurer Vatergüte, und gewiß, ich will derselben nie unwerth, ein treuer Hüter der Stadt sein. Aber“ fuhr er bittend fort – und ergriff Elsbeth’s Hand – „Ihr habt mir schon so viele Beweise Eurer Güte gegeben und mich, den schlichten Kriegsmann, zu Euch herangezogen, durch Huld und Liebe gleich Eurem Sohne. O, gewährt mir nun auch das Höchste, was mein Herz begehrt, gewährt, daß Elsbeth und mich nun auch der Kirche Segen für immer einige.“

„Nimm sie, Arnold!“ – sprach mit dem Tone ernster Rührung Ulrich von Weißenburg. „Dein Vater war mir ein treuer Freund, der mir in bösen Tagen Ehre und Leben gerettet, warum sollte ich dem Sohne nicht vergelten, was ich dem Vater schulde. Nimm hin mein einzig Kind!“ wiederholte er und führte Elsbeth, hocherglühend vor Freude und jungfräulicher Schaam, dem glücklichen Krieger in die Arme. – „Auch Du bist aus wackerm Geschlecht und werth in den Stammbaum der Weißenburg’s zu treten und wohl bedarf die schwache Jungfrau in so trüber Zeit eine feste Stütze. Möge mein Kind in Deinen Armen glücklich sein.“

„Vater, guter lieber Vater!“ stammelte Elsbeth, dessen Kniee umschlingend. – „Segnet uns, damit auch Gott uns segne!“ bat tief gerührt durch Weißenburg’s Güte Becker und beugte an der Seite der Geliebten sein Kniee vor der hohen edlen Gestalt des Bürgermeisters, der mit mildem Lächeln auf die Knieenden schaute, und dessen Augen sich mit Thränen der Freude füllten.

„Nehmt meinen Segen!“ rief feierlich die Hände auf der Knieenden Haupt legend der Vater. „Möge er ein treuer Begleiter sein auf Eurer Lebensbahn. – An demselben Tage, an welchem Lüneburg seine Huldigung dem Sachsenherzog bringt, sei Eure Vermählung, einfach und still, wie es in so ernstbewegter Zeit sich geziemt.“

Und noch einmal die Liebenden an sein Herz drückend, verließ er das Gemach, das Brautpaar mit den Träumen ihres Glückes allein lassend.




Wenige Tage nach diesem Ereigniß traf der Herzog Albert von Mecklenburg als kaiserlicher Commissar in Lüneburg ein, um mit Rath und Bürgerschaft wegen der Ueberweisung der lüneburgischen Lande an die sächsischen Fürsten Verhandlung zu pflegen, und bald darauf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_221.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)