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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

sich von Neuem, geht eiligst seinen Schlupfwinkeln und dunkeln Gängen zu und beginnt sein „Pick, pick, pick!“

Der Holzwurm ist ein sehr schädliches Insekt. Er durchlöchert nicht nur das Holzwerk unserer Häuser, in dem er sich auch als Larve und Puppe aufhält, sondern schadet uns noch auf verschiedene andere Weise. Hatte doch einst ein solcher Käfer 27 neben einander stehende Folianten in gerader Linie durchbohrt. So können wir uns denn nur freuen, daß der schwarze Immenkäfer oder Ameisenwolf ihn unaufhörlich verfolgt und dadurch seiner allzugroßen Vermehrung einen Damm entgegensetzt.




Zur orientalischen Frage. Wie schwer es dem Sultan wird die Vorurtheile seines Volkes zu überwinden und abendländische Verbesserungen in Staat und Gesellschaft einzuführen, mag ein Beispiel lehren. Vor einigen Jahren, bei der neuen Organisation des Heeres, wurde eine neue Art Hosen eingeführt, wie sie die Türken bis jetzt nicht kannten und als eine durchaus nothwendige Zuthat natürlich auch die Hosenträger. Dagegen sträubten sich fast alle türkischen Soldaten und warum? – weil diese Hosenträger auf dem Rücken ein Kreuz bilden, das Zeichen der Ungläubigen. Viele erdulden noch jetzt lieber die strengste Strafe, selbst den Tod für Ungehorsam gegen militärische Befehle, als daß sie auf ihrem Körper dieses ihrer Religion feindliche Zeichen tragen.




Literarisches. Wer Lust hat ein recht fades, in Tendenz und Ausführung ganz verfehltes Buch zu lesen, dem empfehlen wir den so eben in Pesth in Lieferungen erscheinenden Roman von Levitschnigg: „Der Montenegriner oder Christenleiden in der Türkei.“ Der Verfasser ist einer jener unglücklichen Autoren, deren Begeisterung par Ordre de Mufti nur dann erscheint, wenn sie bei bestimmten Richtungen oder Personen Geschäfte machen kann. – Dagegen möchten wir unsern Freunden dringend rathen, das vor einigen Tagen in Leipzig erschienene „Buch der Lyrik“ von Adolf Böttger nicht zu übersehen. In der prächtigsten Ausstattung wird hier der Lesewelt eine Anzahl Gedichte geboten, die nicht, wie es jetzt leider bei dergleichen Sammlungen Mode geworden, aus den Gedichtsammlungen anderer Autoren ge  nommen (fast hätten wir gesagt: gestohlen) sind, sondern in Originalgedichten bestehen, von den bedeutendsten Dichtern der Gegenwart, als Geibel, M. Hartmann, Fr. Hebbel, A. Meißner, Eichendorff, L. Schäfer, C. Beck, Seidl, Vogl, L. Storch, A. Böttger, Roquette etc. etc. Es ist da ein Reichthum von Poesie aufgestapelt, wie in keinem der neuen Albums oder Musenalmanache. Schade, daß sich der Herausgeber durch seine Gutmüthigkeit zur Aufnahme der Beiträge von Bube, Redwitz, Rud. Hirsch, und Bechstein verleiten ließ, die gar sehr von den übrigen abstechen. – Freunde der Natur machen wir noch auf ein von Körner herausgegebenes Buch: Der Mensch und die Natur, aufmerksam, das sehr gut und frisch geschriebene Skizzen aus dem Kultur- und Naturleben enthält. Die einzelnen Artikel sind ebenso unterhaltend wie belehrend. –




Vehse behandelt in dem so eben erschienenen zweiundzwanzigsten Bande seiner „Geschichte der deutschen Höfe“ die Hofhaltungen des Hauses Braunschweig in Deutschland und England. Den Romanschriftstellern, denen es so oft an interessanten historischen Stoffen fehlt, empfehlen wir diesen Band auf das Angelegentlichste, sie werden Material in Masse darin finden. Interessant ist es noch, was Vehse von dem vertriebenen Herzog Carl von Braunschweig erzählt. Dieser wird als ein Mann hingestellt, der Gift und Dolch nicht scheute, wenn es die Erreichung seiner Zwecke galt. Nach Vehse soll beim Schloßbrande ein „Lieblingskästchen des Herzogs“ aufgefunden worden sein, mit verschiedenen Giftsorten und in kleine Gläser eingeschmolzenen Portionen Aqua toffana. (Weiß man wirklich in Braunschweig von diesem Kästchen?) Der Herzog soll den Viceoberstallmeister von Oynhausen mit diesem Gifte, (über dessen sichere Wirksamkeit er oft Gespräche führte) einen vielwissenden Kammerdiener und einen Mohren umgebracht haben. An das Sterbebett Oynhausen’s gerufen, soll er die entsetzlichen Worte ausgestoßen haben: „O ich muß mich an Leichen gewöhnen.“ Das klingt etwas theatralisch, etwas gemacht und Herzog Carl war damals alles, nur kein Phrasenmacher! Vehse erzählt noch eine Masse anderer „liebenswürdiger Züge aus dem Leben dieses Mannes.“ So haßte der Herzog aus mancherlei Gründen den Kammerherrn von Cramm und wollte um jeden Preis Rache an ihm nehmen. Cramm’s Gemahlin war gesegneter Hoffnung. Alle Aerzte Braunschweigs erhielten Befehl vom Herzog, ihr bei ihrer Niederkunft absolut keinen Beistand zu leisten; ihm, dem Herzog solle aber augenblickliche Anzeige von ihren ersten Wehen gemacht werden, um in ihrer Nähe sodann – eine Pulverexplosion zu veranstalten.

Die Gemahlin des Herrn von Cromm ist doch jedenfalls niedergekommen, Herr Vehse erzählt aber nicht, daß die Pulverexplosion wirklich stattgefunden, wie denn überhaupt überall die Beweise für seine Anschuldigungen fehlen. Unser Mann ist der Herzog Carl wahrlich nicht, alberne Anekdötchen aber, die in den dreißig Jahren vom Braunschweiger Adel ausgestreut wurden, um den Haß gegen Herzog Carl zu nähren, sollte man nicht einem Geschichtswerk einverleiben. Dadurch müssen nothwendig Zweifel an der Wahrhaftigkeit aller übrigen Mittheilungen entstehen. E. K.  



Briefkasten.

K. Ch. in Sdhn. Recht hübsch, aber viel zu lang. Folgt nächstens retour. – E. H. in Lz. Danken freundlichst, können aber jetzt keinen Gebrauch davon machen. – Franz R–sch in Hschbg. Jede Woche nur zwei Ihrer Gedichte, jedes von 224 Zeilen, wünschen Sie in der Gartenlaube abgedruckt! Was haben wir Ihnen Leids gethan, daß Sie uns umbringen wollen? – Lkbn. in Fkfrt. Ihre medicinischen Artikel sind, wenn auch mit bedeutenden Veränderungen, zum Abdruck gekommen. Fortsetzung bitten wir vorläufig nicht zu senden. – A. Sch. in Ddn. Kann aus mancherlei Gründen, deren Mittheilung hier zu weitläufig wäre, nicht veröffentlicht werden. Sie haben Recht, aber nicht Alles, was Recht ist, darf gedruckt werden. – H. Phle in Lbch. Märchen – Schwänke – Anekdoten – nein, passen nicht für die Gartenlaube. – L. St. in W. Danke bestens. Brieflich mehr.

Die Redaktion.     




Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Schnellpressendruck von Giesecke & Devrient in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_218.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2021)