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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

die der Engländer schwärmt – eben so dreht sich ein Braten lustig vor dem rothen Kohlenfeuer, bis ihm die hellen Tropfen von der Haut herabrieseln und unten in eine Pfanne fallen, die diesen Lebenssaft bewahrt und in seiner natürlichen Güte auf die Tafel sendet. Das Gemüse kocht indessen auf dem Feuer lustig fort und zwar, – sei es ein Blumenkohl so groß wie ein Menschenkopf, oder eine Pfund schwere Kartoffel – in seiner natürlichen Größe – und je größer je schöner, und erscheint auch in seiner riesigen Schönheit auf dem Tische. Die Köchin ist so gut wie unbeschäftigt; denn diese Gerichte kochen sich nun selbst, und sie mag vornehmen was der Haushalt sonst erfordert. – Der Pudding – bei uns Mehlspeise genannt – wird bei dem nächsten Bäcker gebacken. In einem kleinen Haushalte will man nicht deshalb allein den kleinen Ofen heizen, in dessen Röhre er bäckt. Der ganze Reis mit Milch ist aufgequollen, die Köchin hat ihn in eine weiße Schüssel gefüllt, ein, oder zwei Eier hineingeschlagen – und auch das nicht immer – der Bäckerjunge mit seiner weißen Mütze hat einen sonderbaren unarticulirten Ton ausgestoßen, der sein Dasein verräth, sie ist mit ihrer Schüssel hinausgeeilt, und hat diese auf sein weißes Brett gesetzt, das er auf seinem Kopfe trägt und mit einer Hand hält – und ihr Pudding macht ihr nun keine weitere Sorge. Pünktlich um die anberaumte Zeit wird derselbe Ton sie rufen, und hellbraun und dampfend wird ihr der Reis in ihrer Schüssel entgegen lachen. Ihre Mehlspeisen wechseln aber auch, sie nimmt nicht immer Reis, sie nimmt auch Gries und Sago und Arrowroot und was es sonst an körnigen Gewächsen giebt, die sich mit Milch vertragen. Das ist für den Winter, und für die Kinder, die neben dem kräftigen Fleische stets auch etwas Hülsenfrucht haben müssen. Kommt aber im Sommer die Obstzeit, dann werden auch Früchte hinzugezogen, und die berühmten Obstpasteten und Obstpuddings kommen an die Reihe. Aber auch diese verursachen der Köchin wenig Mühe. Die Obstpastete ist schnell gemacht. Das Obst wird, roh wie es ist, in eine Schüssel gethan und oben mit einer dünnen Schicht Butterteich überdeckt, in die man mit einer Gabel einige Stiche macht. Die Nothwendigkeit dieser Stiche kennt jede Köchin; aber die Ursache dieser Nothwendigkeit begreift sie nicht. Wären in dem Butterteiche nicht diese kleinen unsichtbaren Höhlchen, so würde die Schüssel, wenn sich die Hitze in derselben ausdehnt und keinen hinreichenden Raum mehr findet, zerspringen; darum die weißen Löcher. – Der Bäcker bäckt die Torte nun, und die berühmte Obstpastete ist fertig. Mit dem Obstpudding ist schon ein wenig mehr Mühe verbunden; aber auch nur wenig. Die Köchin muß da früh schon das schöne weiße Rindertalg mit feinem Mehl vermischen und dünne ausrollen; dann legt sie rohes Obst darauf, schlägt den Teich dicht darum zu, bindet ihn in ein Tuch, stellt dies in ein Gefäß und kocht es eine Stunde lang; dann öffnet sie es, und in einer grauen Rinde verborgen, stecken die duftenden Aepfel, die bei dem ersten Schnitte mit einer wohlschmeckenden Brühe herausfallen. In der Zusammenstellung dieser Speisen sind die Nahrungsstoffe stets, wie durch eine Inspiration, sehr glücklich gemischt, und das Obst, mit solcher Zuthat, wird zu einer gesunden, nahrhaften Speise.

Auch das Geflügel röstet der Engländer nur vor seinem Kohlenfeuer, das Huhn und das Hühnchen müssen gleich sehr in ihrem eigenen Fette schwimmen, eine Aufgabe, die sie nicht immer gebührend lösen. Dafür gibt man ihnen dann aber eine weiße Sauce bei, bereitet von Semmel und Milch mit etwas Zwiebel und Pfeffer und ißt kleine Saucisses dazu, oder auch geröstete Speckscheiben.

Reine Luft, kaltes Baden, und die nahrhafte einfache Diät verleihen dem Engländer jene Muskelkraft und rosige Gesichtsfarbe, die schönen Zähne und die kräftige Gestalt, durch die er sich auszeichnet. – Die Speisen, die man auf seinem Tische sieht, sind der Ausdruck des ganzen Menschen. – Kräftig, solide und einfach wählt er alles, und vor allem dem Zwecke entsprechend. Der gesunde Egoismus, mit dem sich sein „Ich“ so lange mit einem großen Buchstaben dem kleinen „sie“ gegenüber behauptet, legt er stets bei der Wahl seiner Speisen an den Tag. An eine Nachahmung des Fremden ist dabei nicht zu denken, Frösche, Schnecken und Vogelnester läßt er unberührt an sich vorübergehen; denn sie nähren ihn nicht, ein Beefsteak aber und ein Glas Porter wird unter allen Umständen sein Herz erfreuen und den Vorzug erhalten, – und sieht man ihn essen, sei es auch an den äußersten Polen, so wird man sogleich errathen, daß es ein Sohn des grünen Albion ist, der hier die höchste Pflicht gegen sich selbst erfüllt. –




Alles schon dagewesen. Mit dem Od, Tischrücken und Geisterklopfen wird die große Menge wieder auf das Gebiet des Geheimnißvollen und Wunderbaren geleitet. Was im vorigen Jahrhundert bereits so vielfach bearbeitet und von Gauklern aller Art ausgebeutet wurde, was man durch Wissenschaft und nüchterne Verstandesanschauung längst beseitigt glaubte, dieser ganze romantische Plunder mit seiner Welt des Geisterspukes und Uebersinnlichen, seinen Wahrsagern und Erscheinungen der Verstorbenen, er scheint noch einmal wiederkehren zu wollen. Justinus Kerner mit seiner Seherin von Prevorst, von Immermann in Münchhausen so prächtig versiflirt, schwimmt wieder oben. In den Zeitungen wimmelt’s bereits von geisterhaften Andeutungen, und die Buchhändler, „um einem längst gefühlten Bedürfniß abzuhelfen,“ sorgen nicht für geistreiche, sondern für Geisterlektüre. So ist in Berlin jetzt unter dem Titel: „Beglaubigte Mittheilungen aus der Geisterwelt und Nachtgebiete der Natur“ eine Schrift erschienen, die „beglaubigte“ Geistererscheinungen, Heraustreten aus sich selbst, Todesprophezeihungen etc. in Masse bietet. Zum Vergnügen unsrer Leser theilen wir eine Probe daraus mit:

König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, Vater Königs Friedrich II., stand mit dem König August II. von Polen in so freundschaftlichen Verhältnissen, daß sie einander, wenn’s möglich war, wenigstens Einmal des Jahres sahen. Dies geschah auch noch kurz vor dem Tode des letztern; derselbe schien sich damals ziemlich wohl zu befinden, nur hatte er eine etwas bedenkliche Entzündung an einer Zehe. Die Aerzte hatten ihn daher vor jedem Uebermaaß in starken Getränken sehr gewarnt, und der König von Preußen, welcher dies wußte, befahl seinem Feldmarschall von Grumbkow (der den König bis an die Grenze begleitete und ihn dort in einem königlichen Schloß standesgemäß bewirthen sollte), daß er bei jenem Abschiedsschmauß alles sorgfältig vermeiden möchte, wodurch die – dem König von Polen aus erwähnter

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_216.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)