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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 20. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter für 10 Ngr. vierteljährlich zu beziehen.


Der Stadthauptmann von Lüneburg.

Historische Erzählung aus der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts.
Von
Ed. Gottwald.

Die wilde Herrschaft des Faustrechts in Deutschland, welche im 13. Jahrhunderte den Bund der Hansa hervorgerufen, um den Handel der Städte zu Wasser und zu Land gegen räuberische Ueberfälle zu schützen und den Eroberungsgelüsten der deutschen Ritter und Fürsten eine bewaffnete Macht entgegen zu stellen, diese Herrschaft der rohen Willkür rief auch hundert Jahre später den Bund der schwäbischen Städte in’s Leben, als unter der Regierung des wankelmüthigen Kaiser Karl IV. Nord- und Süddeutschland der Schauplatz der blutigsten Fehden eroberungssüchtiger Fürsten und Bischöfe geworden war. In diese wildbewegte Zeit fiel die Regierung des Herzog Magnus des Jüngern, welcher über die vereinigten Braunschweig-Lüneburg-Hannoverschen Lande herrschte, und dem die Geschichte den Namen Torquatus beilegt.[1]

In ununterbrochener Fehde mit den Herzögen von Sachsen und Mecklenburg, sowie mit den Bischöfen von Hildesheim und Münster verwickelt, mußten die reichen mit der Hansa verbundenen Handelsstädte seines Landes gar oft die leer gewordenen Säckel des nicht immer siegreichen Fürsten füllen und die ärgsten Erpressungen erdulden. Dieser Bedrückungen müde, verschlossen unter dem Schutze des Hansabundes Braunschweig und Harburg, Hannover und Wolfenbüttel zuletzt dem wilden Welfenfürsten ihre Thore und aus friedlichen Bürgern wurden mit den Waffen wohl vertraute Kriegsleute, die hinter den festen Wällen ihrer Städte den beutesüchtigen Heerhaufen des Herzogs höhnend Trotz boten.

Soweit war es auch zwischen dem Herzog Magnus und der Stadt Lüneburg im Jahre 1371 gekommen. – Um die Befreiung von sechzig seiner Ritter zu erlangen, welche in die Gefangenschaft des Herzogs von Mecklenburg


  1. Magnus Torquatus regierte vom Jahre 1358–1370 und erhielt seinen Beinamen durch das Tragen einer silbernen Kette, an welche ihn in seinem sechszehnten Jahre sein Vater Magnus der Fromme hatte festschließen lassen, als er auf dessen Drohung: „wenn er seine bösen Streiche nicht lassen wolle, würde er ihn an ein hänfenes Seil hängen lassen.“ höhnend geantwortet: „So Du mich hängen lassen willst, muß es an einer silbernen Kette geschehen, denn ein Strick paßt für keinen Herzogssohn!“ Die Kette selbst trug Magnus Torquatus bis zu seinem Tode.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_207.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)