Seite:Die Gartenlaube (1853) 198.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

sagte dann: „Nein, so viel darf ich nicht nehmen, warte, ich will dir’s sagen, wie viel ich davon nach Recht und Gewissen behalten darf.“ Und er zählte das Geld, behielt sich den dritten Theil und gab den Rest mit dem Bemerken zurück, ihm komme eigentlich gar nichts zu, und was er nehme, geschehe unter meiner Verantwortung. – Ist das nicht ein Zug von seltener Ehrlichkeit, und trifft man dergleichen wohl in unsern civilisirten Ländern? – Und diese Leute sollten Räuber sein? – Es ist lächerlich, so etwas nur zu denken.




Der Lohn eines Dichters. Es war in der Nacht unmittelbar nach Aufführung des Scribe’schen Stückes „Malvina, oder die Heirath nach Neigung.“ – Eben hat es zwei Uhr Morgens geschlagen, und der Verfasser suchte vergebens die Ruhe; ein dumpfer Wiederhall von den Beifallsbezeugungen des Abends trafen sein Ohr und weckten ihn wieder auf, so oft er die Augen schließen wollte, und sich selbst zum Trotz, begann sein Geist einem neuen Erfolge nachzujagen. Plötzlich hört er Tritte in der Rue-Olivier-Saint-Georges. Man klopft an die Thür des Hotels. Auf der Treppe und in dem Zimmer entsteht Bewegung und es lassen sich Stimmen vernehmen. Ein Bedienter kommt herauf, öffnet, und tritt mit einer Kerze ein. – „Was geht denn vor? Was will man von mir?“ „Mein Herr,“ entgegnete der Bediente, ein großer Bewunderer des Herrn Bordler und seines Amtes; „Mein Herr, hier ist ein Brief, den in Ihre Hände zu geben man mich berief.“ „Um diese Stunde! Gieb her! Wer hat ihn gebracht? Gieb das Licht her.“ – Eine dicke Frau, mit rothem Gesicht, unordentlichen Haaren und ganz außer Athem, aus der wir nicht ein einziges Wort bringen konnten. – Der Brief wird entsiegelt und mit den Augen verschlungen. – „Gut; es ist keine Antwort darauf. Zünde die Lampe wieder an.“ – Und als der Bediente fort ist, wird der Brief wieder gelesen, zugemacht, wieder geöffnet und abermals gelesen. – Ihr glaubt wohl, ein süßes Geheimniß, ein Liebesbrief? Nein, kein Wort von Liebe. Etwas Besseres als das. Der Brief war mit zitternder Hand von einer alten, vielleicht armen Frau geschrieben, von einer Mutter, blos einige Zeilen, die aber das Herz mit Stolz erfüllen mußten. – „Mein Herr, ich wohnte diesen Abend mit meinen Kindern der ersten Vorstellung von „Malvina“ bei. Nach unserer Rückkehr wartete meine älteste Tochter, bis ich allein war, und warf sich mir zu Füßen; sie gestand mir unter Schluchzen, daß sie auf dem Punkte stehe, mit einem jungen Menschen ein Liebesverhältniß einzugehen, der ihrer unwürdig sei; Ihr Stück hat ihr die Augen geöffnet, ihr Gewissen beruhigt und ihre Liebe zerstört; sie fühlt aufrichtige Reue und ist in meinen Armen. Meine ganze Familie schläft. Ich und sie, wir wachen allein, und weinen vor Freude, vor Dankbarkeit. Sie werden uns nie kennen lernen, aber seien Sie überzeugt, daß Ihr Name uns stets heilig bleiben wird. Könnte doch dieser Gedanke einigen Werth für Sie haben; Sie haben uns die Ehre und das Leben gerettet!“




Verfehlte Spekulation. Wie merkwürdig oft schon berechnete Pläne zum Gegentheil umschlagen, zeigt ein Vorfall, welcher sich in Nordamerika ereignete. Der Sherif einer Grafschaft in dem nördlichen Theile des Staates Missisippi hatte 15–20,000 Dollars an Staatsgeldern im Hause: eine schöne Summe! Gold lacht, Gold blendet. Der Sherif erklärte seiner Frau, er müsse Geschäfte halber auf einige Tage verreisen, empfiehlt ihr Vorsicht, Wachsamkeit, da das Geld in dem und dem Geldkoffer liege. Die Frau sieht ihren Herrn und Gemahl abreisen; es wird Abend, da pocht ein wohlaussehender Mann an’s Haus des Sherif’s und bittet um gastliche Aufnahme. Ein Wirthshaus ist nicht da, die Nacht ist stürmisch, die Frau hat sich eigentlich vorgenommen, während ihres Mannes Abwesenheit keinen Fremden aufzunehmen, indeß der Sherif ist eine öffentliche Person, hat vor Allem Gastlichkeit zu üben; der Fremde bittet sehr, die Frau wird umgestimmt, sie läßt ihm eine Schlafkammer anweisen. In der Nacht geschieht, der Himmel weiß wie, ein Einbruch; drei Neger oder Weiße, welche sich in Neger verwandelt haben, traten hin vor das Bett der Frau und fordern die Auslieferung der 20,000 Dollars. Die Arme ruft Hülfe – vergebens; sie muß sich in den Willen der Diebe fügen. In der Kammer, wo der Fremde schlief, lag das Geld wohl verschlossen. Sie macht die Thüre auf, verspricht das Geld sogleich zu bringen; in der Kammer sieht sie, wie der Gast, durch das Geräusch im Hause aufgeschreckt, soeben damit beschäftigt ist, seine Pistole zu laden. Schnell flüstert er der Frau zu, sie solle nur Muth zeigen, sich ein Herz fassen, so könne noch Alles gut und das Geld gerettet werden. „Sie nehmen in die linke Hand den Geldbeutel,“ sagte der Fremde, „und schießen mit dem Pistol in der rechten Hand dem Neger, wenn er nach dem Gelde greift, die Kugel vor den Kopf; mit den andern beiden Schwarzen will ich schon fertig werden.“ Mit kühnem Muthe führt die Frau diesen Rath aus: einer von den Negern fällt; in demselben Moment hat der Fremde den zweiten Neger niedergeschossen und stößt dem dritten, ehe er die Flucht nehmen oder sich zur Wehr setzen kann, sein Jagdmesser in den Leib. Durch die Pistolenschüsse aufgeweckt, kommen die Nachbarn gelaufen und fragen, was vorgefallen. Die Schwarzen werden beleuchtet, untersucht, und es ergibt sich, daß der von der Frau getödtete Schwarze – ihr Gatte, die beiden andern gute Freunde ihres Mannes sind! Der Grund dieses Diebstahls war leicht zu finden; daß der schlaue Sherif sich verrechnet hatte, war rein Schuld des Zufalls und der Vorsehung. Kein Wort über den Schmerz der betrogenen Gattin! Wo die Achtung aufhört, da schwindet auch die Liebe; wo man nicht mehr liebt, kann man immerhin tief bedauern, doch der Schmerz weicht der Verachtung.




Literarisches. Von einem durch seine Idee sehr ansprechenden Unternehmen: Vierhundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, ist so eben bei G. Wigand die erste Lieferung erschienen. Schade, daß der Text in die Hände Ludw. Bechstein’s gefallen ist, eines Mannes, der durch die Kraft- und Marklosigkeit seines Wesens und seiner Schreibweise sich am allerwenigsten zum Biographen deutscher Männer eignet. – Von Auerbach erscheint nächstens eine Gesammtausgabe seiner Schriften. Der Preis, welcher ihm für diesen Wiederabdruck seiner wenigen Werke (auf 10 Jahre) vom Verleger bezahlt worden ist, beweist abermals, daß in Deutschland gangbare Autoren nicht schlechter honorirt werden, als in Frankreich.

E. K.  
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_198.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)