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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

mager aus Blutarmuth, mißmuthig und verdrießlich durch Hypochondrie und Hämorrhoiden, hinkend und steifbeinig in Folge von Rheumatismus oder Gicht, hinten und vorne, oben und unten von Schmerzen aus Nervenschwäche und Hysterie geplagt, hohläugig, kahlköpfig, zahnlos und bucklig auf unserer schönen Erde herumwankt. Sind das etwa die Ebenbilder Gottes? das die Herren der Schöpfung?

Sehr treffend sagt Dr. Mises (im „Panegyrikus der Medicin“): „unsere heutige Medicin ist ein sich durch sich selbst immer mehrendes Kapital. Wie wenig Aerzte konnten ehedem davon leben; jetzt nachdem die Medicin zu einem so hohen Gipfel gebracht worden ist, finden Legionen Aerzte ihr Brod in Besorgung von Krankheiten. Man fahre nur fort, tapfer darauf los zu curiren und der Fond wird sich schon noch mehr vergrößern; und wenn die göttliche Kunst am höchsten gestiegen sein wird, dann wird hoffentlich auch die Welt ein Lazareth, in dem der Arzt alleinherrschend umhergeht, und das allgemeine Speisehaus wird die Apotheke sein.“ Nicht minder wahr schreibt Dr. Steudel (in der lesenswerthen Schrift „die medizinische Praxis, ihre Illusionen und ihr Streben zur Gewißheit“) über unsere Arzneimittel: „wenn aus der Reichhaltigkeit des Heilapparates, der Verschiedenheit der Heilmittel, aus der Sorgfalt, mit der jedes derselben präparirt und aufgehoben wird, und aus der Schnelligkeit, mit welcher dem bereits fast unermeßlichen Material stets neue, natürlich untrügliche und vortreffliche Ingredienzien zugeführt werden, ein Schluß gemacht werden dürfte auf entsprechende, zunehmende Sicherheit im praktischen Handeln und auf reelle Bereicherung unsers Wissens, so müßte es glänzend stehen um das leibliche Wohlsein des Menschengeschlechts; denn fast aus allen Reichen hat man die Körper, die sich durch irgend eine besondere Eigenschaft auszeichnen, zusammengeholt, dieselben auf die verschiedenste Weise unter einander verbunden, und aus den einzelnen wieder die wirksamsten Theile ausgezogen, um das vermeintlich heilende Princip in absoluter Reinheit und in möglichster Concentration zu besitzen. Leider muß man aber gestehen, daß mit der Vermehrung des Materials nur die Unsicherheit und Willkür im praktischen Handeln zugenommen hat und eine solche Verwirrung eingetreten ist, daß es eigentlich gar kein Gesetz mehr gibt und Jeder thun kann, was er will.“

Bei der allopathischen Quacksalberei, welche auch Kranke heilt ohne dieselben gesehen zu haben, kann jede Krankheit so ziemlich mit demselben Mittel (am liebsten aber mit Jod, Quecksilber, rothen Fingerhut oder Leberthran) curirt werden, da jedes Mittel fast bei allen Krankheiten probat gefunden wurde. Beim homöopathischen (oder Samuel Hahnemann’schen) Aberglauben soll Nichts mit Milchzucker vor unsern sichtlichen Augen überirdische Dinge thun, während man bei der Vincenz Prießnitz’schen Kaltwasserquälerei die alten Sünden des Patienten und seiner frühern Aerzte stromweise in’s Bett laufen und ersaufen sieht. Durch die altbackene Semmel- oder Austrocknungscur des Bauer Schroth, wird die Krankheit zum Verdursten gebracht und dann ihre Leiche in einem Semmelsarge aus dem Körper geschafft. Die Rademacher’sche oder Erfahrungsheilkunst probirt an einem Kranken erst Salpeter, Eisen oder Kupfer, und war die Krankheit zufällig keine Salpeter-, Eisen- oder Kupferaffection d. h. wurde der Kranke beim Gebrauch dieser Mittel nicht gesund, dann versetzt man ihm noch so lange dieses und jenes Medicament (am liebsten nach dem Alphabet) bis seine unverwüstliche Natur doch noch über die Krankheit siegt oder Patient sich durch den Tod seinen Quälern entzieht. Der Trost bleibt aber dann den Hinterlassenen, daß der Verstorbene bei der schrecklichen Salpetereisenkupferquassiabrechnußchininarsenikkrankheit, von welcher er heimgesucht worden war, nicht länger leben konnte.

Daß durch Sympathie in der That bisweilen Erfolge bei Krankheiten erzielt werden, liegt nur darin, daß die jetzige Menschheit große Sympathie für Unsinn hat und beweist recht deutlich, auf welch’ niederer Stufe wir in geistiger Beziehung stehen. Die Isopathik, ein Absenker oder wie sie sich selbst rühmt, eine Veredelung der Homöopathie und von einem Landarzte Hermann erfunden, strebt mit den Pulvern oder Tinkturen gesunder thierischer Organe die entsprechenden kranken Organe des Menschen zu heilen. Ist z. B. die Leber krank, gleichviel wie, so ist das beste Heilmittel pulverisirte oder in Weingeist ausgezogene Fuchsleber u. s. f. Es ließe sich übrigens diese Heilmethode dadurch noch wirksamer machen, daß man kranken Menschen präparirte Organe von solchen Thieren verordnete, welche mit den Patienten einige Aehnlichkeit hätten. Wie theuer würden da nicht die Eselsgehirne werden? Was die mystische Heilmethode betrifft, so muß wohl an dieser Etwas sein, da selbst ein Professor der Medicin, Hr. Ringseis in München, predigt, daß die Krankheiten von der Erbsünde, dem Schlangensamen u. s. w. herkämen und daß Rückkehr zur Frömmigkeit, Buße und Gebet die Hauptsachen bei der Herstellung von Krankheiten ausmachen. – Die gymnastische Heilmethode der Neuzeit, in Schweden durch Ling und Branding am weitesten gediehen und jedenfalls mit eine der naturgemäßesten Methoden zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit (wenn sie nämlich zweckmäßig angewendet wird), artet auch schon wieder durch Einseitigkeit und Pedanterie aus und nimmt, nach ihrer eigenen Ausdrucksweise, eine linksstreckrechtsklafterrechtsseitfallrechtshalbstehende Stellung ein. Uebrigens empfehlen wir doch unsern Lesern gegen verdorbenen Magen folgendes gymnastische Recept als probat:

          Sturzstehende concentrische Quermagenwalkung.
 Spalthochsitzende Hüftrollung und Magenlinddrückung.
 Streckspaltsitzende Brustspannung.
 Halbstreckgangstehende Vorwärtsdrehung.
 Spaltstehende Doppeltkniebeugung.
 Lastneigende Rückenerhebung.
 Hochstehende Beinvorwärtsdrückung.
 Klafterstehende Planarmbeugung von hinten nach vorn.
 Gehsitzende Wechselkniestreckung.
 Halbliegende Plandrehung. aa.

Daß die Badecuren von allen Curen die glücklichsten Resultate bei Krankheiten liefern, ist nicht zu bewundern, wenn man bedenkt, daß in Bädern der kranke Mensch auf vernünftigere Weise als zu Hause Wasser, Luft, Sonne, einfache milde Nahrung und körperliche, so wie geistige Ruhe genießt. Wer aber dem Geiste der Quelle, dem sogenannten Brunnengeiste, oder was so

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_193.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2023)