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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

niedrigen Häuserreihen aus; links erhebt sich der malerische Berg des Monjuy mit seinem Castell und zwischen beiden liegt die rührige, gewerbereiche Hauptstadt von Catalonien. Ich bezog die Fonda de las cuatro naciones als fünfte; denn schwerlich wird die deutsche eine der vier gemeinten Nationen sein. Ich war also wie überall das fünfte deutsche Rad am Wagen der Nationalität. Doch nach einer Stunde fühlte ich mich geborgen unter der Obhut der liebenswürdigsten Bewillkommnung eines Landsmannes, des Herrn v. Gülich, Secretairs des preußischen Generalconsulates, der mich schon erwartet hatte, da er von meinem Reiseunternehmen in der Cölnischen Zeitung gelesen hatte. So etwas thut wohl. Es ist mir eine Pflicht, meinen Dank dafür öffentlich auszusprechen. Möchten alle Consularbeamte dem Herrn v. Gülich gleichen!

Es war Sonntag. Auf der Rambla, an der mein Gasthof liegt, wogten viele Tausende von Spaziergängern einher. Nach ihrem Putz zu schließen, ist, was sich nur immer mehr bestätigte, Barcelona ein Gemisch von Französisch und Spanisch. Die Frauen gingen eben so häufig, wenn nicht noch häufiger, nach der französischen Mode gekleidet, wie nach der unendlich viel schönern spanischen. Die Mantilla, meist schwarz, doch auch weiß, habe ich mir anders gedacht. Sie ist ein langer, nicht eben schmaler Shawl von Seide mit breiter Spitzeneinfassung, oder auch ganz von Spitzen. Er wird über den Kopf gelegt und mit 2 großen Nadeln an den Zopf gesteckt, jedoch so, daß die Spitzeneinfassung zurückgeschlagen oder als Schleier über das Gesicht heruntergelassen werden kann. Ich glaubte über die berühmte „Mantilla“ diese modistische Notiz den schönen Leserinnen der Gartenlaube schuldig zu sein. Anfangs lachte ich noch über die Männer, welche im warmen Sonnenschein ihren langen Mantel, den einen Zipfel über die linke Schulter geworfen, trugen. Heute beneide ich sie darum. Die nahen Pyrenäen blasen recht kalt herunter. Mitten unter der geputzten Gesellschaft schritten die malerischen Gestalten der Landleute und Arbeiter einher, in die „Manta“ gehüllt, ein großes Tuch, was sie mantelähnlich über die Schultern schlagen. Sie ist meist roth mit andersfarbigen Streifen. Am meisten fielen mir einige Männer auf, die ich in einer Pyrenäenschlucht für Räuber gehalten haben würde. Sie trugen blaue Jacken und Mäntel, rothgefüttert, mit weißen Borden besetzt, kurze Beinkleider, Gamaschen und Sandalen, und waren außer einer Flinte und einem Degen mit einem Dolche im rothen Gürtel bewaffnet. Die breite Krämpe ihres Hutes war an einer Seite emporgeklappt. Die Leute sind aber das Gegentheil dessen, wofür wir sie halten würden. Es waren Mojos de la Escuadra, Landjäger, welche organisirt und besoldet, aber Bürger sind. Sie üben den Sicherheitsdienst auf dem platten Lande aus.

Am folgenden Tage machte ich in Begleitung eines jungen Deutschen, der seit einigen Jahren Spanien bereist, einen Ausflug in das nahe Gebirge, welches gegen Westen das Thal des Llobregat begrenzt. Wir kamen in die reizend gelegene Ortschaft Gracia, wo viele reiche Barcelonesen Landgüter haben. Was mich schon vorher bei einer Besteigung des Monjuy in hohem Grade interessirte, das fand ich hier in dem durch den unermüdlichen catalonischen Fleiß urbar gemachten Boden noch viel großartiger, nämlich die Garteneinfriedigungen mit riesigen Agave- und Cactus-Hecken. Es ist für den nordischen Naturforscher noch mehr als für den in der Kenntniß der Natur Unbewanderten ein hoher Genuß, in ihrem Vaterlande die Pflanzen in üppiger Entfaltung zu sehen, von denen er daheim nur verkümmerte Zwerge kannte. Namentlich sind es die colossalen Cactusbäume, denn man kann sie wohl so nennen, was uns Nordländer fesselt. Wert über mannshoch recken sie, ihre über schuhlangen eirunden Glieder aneinander reihend, ihre bizarren Gestalten zwischen den ungeheuren Agave-Blättern empor und bilden mit diesen eine zwar durchsichtige, aber völlig undurchdringliche Hecke. Die abgestorbenen Agave-Blätter legen sich zurück auf den Boden und vertrocknen zu festen, holzigen Mumien. Unter ihnen ist das Versteck der Insecten und Schnecken. Es war mir unmöglich, die harten, stachligen Dinger zu beseitigen, um nach letzteren zu suchen. Unter ihnen liegen sie geborgen wie hinter Mauern und Wällen, und der Sammler muß geduldig warten, bis sie die Sonne hervorlockt. Einen eigenthümlichen, fast möchte ich sagen, unbeschreiblichen Eindruck machte auf mich ein Weizenfeld, welches mit einer Agave-, oder wie man sie gewöhnlich fälschlich nennt, Aloe-Hecke eingezäunt war. Unser heimathlicher Weizen in dieser Nachbarschaft! Es wird Manchem sonderbar erscheinen, aber mir kam es dennoch so vor, als wenn die nüchterne, nordische Getreidepflanze der südlichen Agave allen ihren Zauber nehme. Von weitem sah die Agave-Hecke wie ein riesenhafter Rasenstreifen aus. Sie, wie die Opuntia - wie diese Cactusart genauer zu benennen ist - muß man auf felsigen Abhängen oder verfallenen Mauern sehen, wie ich sie nachher sah, um ein richtiges Bild von ihrem Wesen zu erhalten. Die untersten Stammglieder der Opuntia sah ich da schenkeldick und die Blätter der Agave fast mannshoch, nicht mehr so elegant in strahliger Rankung gestellt, wie in der Jugend und an unseren schwächlichen Gewächshaus-Exemplaren, sondern zurückgebogen und von den Winden kraus durcheinander geweht, wie die Blätter eines riesenmäßigen Grasstockes. - Und doch ist das hier bei Barcelona nur noch ein schwacher Anfang gegen das, was diese europäischen Pflanzencolosse mehr im Süden Spaniens erreichen! In den so bewachten Weingärten standen zahlreiche Johannisbrodbäume (Algarroba), - sie ähneln einigermaßen den Wallnußbäumen - deren süße Schoten hier als Viehfutter benutzt werden, während sie bei uns den Kindern eine Lieblingsnäscherei sind. Auf einigen niedrigen Citronenbäumen eines kleinen Weingartens, der sehr armen Leuten gehören mochte waren - o des Kontrastes! - zerfetzte Windeln zum Trocknen aufgelegt, unter denen die goldenen Früchte hervorblinkten; daneben stand ein Orangenbaum, mit Früchten überladen, von denen einige abgefallen und den Abhang hinabgerollt waren. Niemand nahm sich die Mühe, sie aufzulesen. Und alle diese goldene Pracht stand in einer Einöde! Denn alle Bäume, die kein immergrünendes Laub haben, waren noch ohne Blätter, der karge Rasen noch ohne Blumen; fast nur unser heimisches Gänseblümchen war erst da; außer ihm einige prachtvolle, von giftigem Milchsaft strotzende Wolfsmilcharten, deren ich fünf verschiedene Arten fand, eine von ausnehmender Schönheit.

So war denn recht eigentlich der Gruß der spanischen Flora, den ich erhielt, ein neckender. Sie lächelte mir

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_183.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)