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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

gehen sah und nun folgte er ihr unbemerkt in gut berechneter Entfernung durch die Straßen quer über die Boulevards, dann wieder durch Straßen bis in die rue de l’echiquier.

Hier sah er sie in ein Haus treten, das ihm wohl bekannt war. Sie ging rasch an der Loge des Concierge vorüber, ohne nach irgend Jemand zu fragen und stieg die Treppe empor.

„Wie einheimisch,“ murmelte der eifersüchtige Ehemann vor sich hin. Sein Herz pochte mit heftigen Schlägen; und eine Zeitlang blieb er vor dem erreichten Hause stehen, theils um sich zu sammeln, theils um mit sich selbst zu berathen, wie er vorgehen sollte, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen.

Drauf trat er in’s Haus.

„Monsieur Lemaitre?“ rief er dem Concierge zu.

„Er ist ausgegangen,“ antwortete mürrisch, wie das in Paris Sitte, der Thorhüter.

„Nicht wahr! für mich muß er zu Hause sein,“ rief Herr Lamont und stürmte die Treppe empor.

Mit einer gewissen Sicherheit hielt er bei einer Thüre im zweiten Stockwerk und klingelte. Ein Diener öffnete.

„Sie sind es, Herr Lamont,“ frug dieser, da er den Ankömmling sogleich erkannte.

„Ja freilich bin ich es; was ist darin so Auffallendes?“ antwortete Herr Lamont mit bissiger Schärfe im Ton.

„Nicht das Mindeste, Monsieur,“ entschuldigte der Diener; „ich will Sie sogleich melden.“

„Das ist überflüssig. Ich kann schon so eintreten,“ sprach gereizt Herr Lamont und ohne eine Antwort abzuwarten, trat er in das Gemach, welches an den Vorsaal stieß. Es war leer; allein in dem Salon links, den er wohl kannte, hörte er sprechen; er blieb stehen, um zu lauschen. Eine Männerstimme, die er sogleich als die Frederic Lemaitre’s erkannte, sprach: „Ist es nichts, einem Manne Alles zu sein, und das bist Du mir im ganzen Umfang der Bedeutung. Ich breche mit meiner Vergangenheit, mit meinen Hoffnungen und Träumen, um ganz Dir zu gehören, und noch bist Du nicht zufrieden?“

„Ich bin Dein, ob ich will oder nicht; eine verborgene Gottheit bezwingt mein Herz und gibt mich Dir zum Eigenthume; doch sie dünkt mir eine dunkle, feindliche; ich muß Dich lieben; ob ich es gleich fühle, daß diese Leidenschaft eher mein Verderben, als mein Glück.“ –

„Ja, Dein Verderben!“ wiederholte furchtbar der arme Herr Lamont, dem schier die Sinne vergingen, der auf ein Sopha sank, weil er sich nicht aufrecht zu erhalten vermochte, denn er erkannte die Stimme seiner Frau, welche auf die Rede Lemaitre’s Antwort gab. Und wie sprach sie? mit welchem Feuer, mit welcher Begeisterung. Nie hat er, den sie doch zu lieben vorgab, sie so sprechen hören. Der arme Mann fuhr sich mit den Händen in die Haare, er war in Verzweiflung. Es kamen ihm noch fürchterlichere Vorsätze als Scheidung in den Kopf. Sie sollen Beide sterben, die mich so schändlich verrathen, sagte er vor sich hin mit einem Blick nach der Thüre des Salons. Drinn sprach die männliche Stimme wieder: „Wie magst Du Dich ängstigen! Ein Cherub mit dem flammenden Schwerte will ich vor Deinem Paradiese Wache halten. Und wenn ich Dir ohnmächtig erscheine, zaghaft, von weichem nachgiebigen Wesen, Deine Liebe macht mich zum Helden, zum Gotte. Drum brauchen wir nichts, gar nichts um glücklich zu sein, als unsere Liebe. Die sei wahr und groß, und wir können den Beistand des Schicksals entbehren.“

Madame Lamont sprach:

„Laß mich ruhen an Deinem Herzen, laß mich hangen an Deinen Lippen, laß mich die Welt mit ihren Schmerzen und Freuden in Deinen Armen vergessen.“ –

Nun hielt sich Herr Lamont nicht länger; alle Mäßigung von sich werfend, stürmte er auf die Thüre, wie um sie zu durchbrechen, öffnete und trat in den Salon.

Mit zornfunkelnden Blicken sucht er die Strafbare und ...... er traut seinen Augen nicht ..... seine Frau, in einem Schleppkleid, steht in einer hochtragischen Stellung da, vor ihr Lemaitre mit einem Heft in der Hand, an ihrer Attitude Mancherlei verbessernd. Die alte Haushälterin des berühmten Schauspielers, welche ihm, da er von seiner Frau getrennt lebt, die innern Angelegenheiten überwacht, sitzt auf einem Sopha mit einem Strickstrumpf in der Hand und sieht mit Wohlgefallen lächelnd auf die schöne abenteuerlich aufgeputzte Erscheinung, die sich linkisch und doch anmuthig in dem ungewohnten Costüm benimmt. Herr Lamont bleibt starr vor Entzücken und Beschämung stehen. Niemand spricht ein Wort, bis Madame Lamont das Schweigen bricht.

„Edouard, Du hast mir die Freude verdorben,“ ruft sie unter Thränen. „Ich wollte Dich zu Deinem Namenstag mit einem Schauspiel überraschen. Herr Lemaitre hatte die Gefälligkeit mir meine Rolle einzustudiren und nun ist Alles vorbei.“

Herr Lamont stotterte einige entschuldigende Worte. – Madame Lamont aber war nicht mehr dazu zu bewegen ihre Lection fortzusetzen und es hatte mit dem Namenstagsstück ein Ende. Unter Thränen hat der Eifersüchtige später die Verzeihung seiner braven Frau erfleht, die es lange nicht vergessen konnte, daß er ihr durch sein Mißtrauen eine schöne Freude verdorben.




Ein Besuch in Weimar.

Endlich einmal in Weimar! Dort, 800 Schritte südlich, liegt dieses moderne Athen vor mir so freundlich einladend, obgleich in dieser Schneetrauer am Tag vor Frühlings Anfang. Meine Frau war so ergriffen von dem langersehnten Anblick, daß sie sich unmöglich entschließen konnte zur Einschachtelung in einen Omnibus oder Fiacker, mich am Arm nahm und dem Menschenzuge zur Stadt auf dem Fußwege nachschlenderte. Die Thauluft hatte bereits etwas zaghaft an dem Schnee geleckt, der Wind seine Spiele geübt, der Weg war nichts weniger als anmuthig. Das Geheimniß, comfortable Fußwege zu machen und sie gut zu erhalten, scheint wirklich in Ilm-Athen noch unter

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_136.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2020)