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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Rad und andere in größerer Tiefe bringt man das Wasser aus der Grube. Wenn irgendwie diese Räder zum Stehen kommen, hört auch das Glöckchen auf zu läuten und die Arbeiter eilen zu Tage, weil Niemand sagen könnte, wie bald die Grube in dem Wasser ersaufen würde.“

So läute und klinge weiter, du Sicherheitsbote! Möge deine Stimme nimmer schweigen, möge sie immer und immer denen melden, die tief unten im dunkeln Schooß der Erde sich mühen, daß die Elemente ihnen nicht zürnen!

Der Führer öffnete nun das unheimliche Bündel, das er bis dahin getragen hatte, und forderte uns auf, die darin enthaltenen Anzüge anzulegen, – schwarze weite Beinkleider, eine schwarze Kutte, den Lederschurz, an dessen Gürtel vorn eine kleine Laterne gehakt wird und den schrecklichen schwarzen Filzhut ohne Krempe.

Endlich folgten wir, als dieser Anzug über unsere Kleider gezogen war, dem Führer auf Steinstufen hinab, die durch den festen Granit gehauen sind. Auf den ersten Stufen aber schon blieben wir stehen, denn wir hörten ein unheimliches Knarren und Rauschen – das gewaltige Wasserrad, das sich in seiner Steinkammer langsam umdreht und dessen Speichen wie Riesen-Arme unaufhörlich durch die feuchte Finsterniß greifen, während das Wasser rauscht und Tropfen nach Tropfen in die Tiefe fallen. O und die schauerlichen Stufen – finster, steil, schlüpferig! Wasser tropft von der Decke oben, Wasser sickert aus den Wänden! Und der Gang, in dem sie hinabführen, ist so niedrig, daß der Körper sich nicht vorwärts neigen kann, wie er es bei Abwärtssteigen thut, sondern der Kopf rückwärts gebogen werden muß, damit man mit dem häßlichen Hute nicht an der Decke anstößt. Immer – immer hinunter, auf den schrecklichen Stufen, an den nassen Wänden hintappend, durch die tiefe Finsterniß und die schwere feuchte Luft! Der Weg scheint sich zu drehen und zu wenden, man erkennt nicht recht wie. Bisweilen geht es in ebenen Gängen hin, aber sie führen nur zu andern steilen schlüpferigen Stufen, die, immer in gleichem spitzen Winkel, durch das Gestein gehauen sind. Hinunter, hinunter, sechshundert Fuß! Und der Führer flüstert uns zu, ja vorsichtig zu sein, mit dem Fuße erst zu fühlen, ehe wir ihn festsetzten, denn wir befänden uns an einer gefährlichen Stelle. Er hatte uns zu diesem Theile der Grube geführt, um uns zu zeigen, wie das Wasser sich ansammelt. Die Erzader lohnt an diesem Punkte die Arbeit nicht mehr und sie ist da aufgegeben worden. Athemlos kriechen wir weiter, bis der Führer uns auffordert stehen zu bleiben.

Da hält er seine Laterne so weit vor, als er mit dem Arme reichen kann und zeigt uns – undeutlich nur – in der kohlschwarzen Nacht eine Höhle mit niederer Decke und in dieser einen dintenschwarzen See, dessen Wasser nie ein Lüftchen kräuselt und in dem das Licht der Laterne sich wie in einem Spiegel bricht. Ein grauenhafter Anblick – so schwarz, so bewegungslos! Ein heimtückischer Pfuhl, der uns wahrscheinlich verschlänge, ohne nur eine Blase zu werfen. Und wir stehen nur einen Fuß weit von seinem Ufer! Unwillkürlich treten wir zurück und kriechen auf den steilen Stufen bis zum ersten Absatz wieder hinauf.

Von da geht es in einen schmalen Schacht eine Strecke weit hin, dann – wieder hinunter und immer hinunter auf den endlosen Stufen, bis uns von der ewig gleichförmigen Bewegung die Knie zittern und der Schweiß aus allen Poren dringt. Die Luft ist dabei so dick und schwer, daß wir bisweilen wie keuchend und schnappend einathmen. Aber immer weiter geht es in der Tiefe, bis wir dicht in unserer Nähe einen Klang vernehmen wie von Eisen oder Stahl, die an etwas Hartes geschlagen werden, und auf ebenem Boden stehen. Wir befinden uns in einem schmalen Schacht, der so hoch ist, daß wir darin gehen können, ohne daß wir uns zu bücken brauchen. Am Ende desselben schimmern zwei Lichter wie zwei Johanniswürmchen, – die Grubenlaternen zweier Arbeiter. Von ihnen kam der matte Eisenklang durch die dicke Luft. Sie arbeiten für eine Sprengung. Mit einem langen Stahlstabe oder Meißel treiben sie ein Loch in das harte Gestein (fast immer Gneis und Granit). In diese kleine Kammer wird das Pulver gefüllt, das, entzündet, das feste Gestein in tausend Stücke zerreißt und damit zugleich das so emsig gesuchte Erz befreit.

Auf dem Boden liegend, den Körper in allerlei unnatürliche Lagen krümmend, müssen die Bergleute ihre Arbeit thun. Das Anbohren des festen Gesteins ist mühselig und viel kommt dabei auf die Berechnung und Wahl der Stelle an, an welcher das Bohrloch angesetzt wird, damit die Explosion so viel als möglich von dem Erze, so wenig als möglich von dem tauben Gestein löse. Die beiden Arbeiter dreheten sich nach uns um, als sie uns hörten. Der Fluch des Mammonsuchens lag auf ihnen.

„Sind wir auf dem Grunde der Grube angekommen?“ fragte ich ängstlich.

Der Führer lächelte als er antwortete: „Kaum über die Hälfte sind wir gekommen; aber in dieser Richtung können wir nicht tiefer hinunter.“

Gott weiß es, daß wir auch nicht wünschen noch tiefer zu steigen!

„Wie lange arbeiten die Leute?“

„Bei dieser Tiefe acht Stunden des Tags in fünf Tagen der Woche. Bei größerer Tiefe einige Stunden weniger.“

„Welchen Umfang hat die Grube?“

„Das weiß ich nicht. Kein Bergmann ist überall in ihr gewesen. Der größere Theil wird nicht mehr gebaut und zieht sich wohl Stunden weit unter der Erde hin.“

„Und die Tiefe?“

„Zwölfhundert Fuß, gerade bis zum Meeresspiegel. Die „alte Hoffnung Gottes“ geht noch sechzig Fuß unter den Meeresspiegel.“

„Und solcher Gruben giebt es viele?“

„Wohl mehr als zweihundert und 540 Schachte. Im Ganzen arbeiten etwa 5000 Bergleute. In unserer Grube sind 900 beschäftigt.“

„Was verdienen sie?“

„Ein Thaler ist bei uns ein guter Wochenlohn. – Gott sei Dank, wir erhalten den Lohn aber auch, wenn wir krank sind und haben immer Arbeit. Wenn wir nicht mehr „einfahren“ können, erhalten wir aus der Casse acht gute Groschen wöchentlich.“

Zehn Neugroschen die Woche! Und lebenslänglich Silber zu Tage gefördert!

Wir waren ganz matt von der Anstrengung und sehnten uns hinauf an’s Tageslicht.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)