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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Seide auf, fünfzehn und zwanzig Procent wohlfeiler als ich mich mein Lebelang gekauft zu haben besinnen kann. Was halten Sie, meine Herren, vom feinsten französischen Organsine (gezwirnte Seide), das Pfund zu einer Guinee?“ –

„Solche Preise“ – fährt unser gelehrter Cicerone[WS 1] fort – „setzen uns in den Stand, auf Vorrath arbeiten zu lassen, und als im Jahre 1849 die französischen Lager erschöpft waren, da kamen die unsrigen an die Reihe. Da hatten wir freies Spiel. Und in der That konnte das ganze Jahr hindurch kein Fabrikant des Continents mit dem englischen in Concurrenz treten.“

„Haben sich denn die französischen nicht erholt gehabt?“

„Den Teufel haben sie sich erholt“ – und Mr. Bradelle geräth allmälig in einen industriell-schwärmerisch exaltirten Zustand – „freilich haben sie sich erholt, aber es hat ihnen wenig geholfen, diese Erholung von der Revolution. Wir hatten ja beinahe ihren ganzen Vorrath an Rohseide in Händen, und als die Erholung anfing, hatten sie kein Material zu verarbeiten, und kamen factisch zu uns herüber – die revolutionairen Schlucker! – und mußten ihre eigene Rohseide von uns zu zwanzig und fünfzig Procent theurer zurückkaufen. Von dieser Zeit an ist unsere Waare gestiegen, die Arbeit hat sich vermehrt, so daß während des größten Theils des Jahres fünfzig die meisten Weber von Spitalfields reichlich zu thun hatten.“

„Da muß also, nach dem logischen Kreislauf wieder eine Ueberfüllung von Fabrikaten eingetreten sein?“

„Allerdings. Das und die höheren Rohseidenpreise drückten auf’s Geschäft, so daß ich allein nahe an hundert Stühle feiern lassen mußte. Das geht nun einmal nicht anders. Darauf muß der Fabrikant gefaßt sein.“ – –




Aus der Menschenheimath.

Briefe
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Zweiter Brief.

Hast Du Dir schon einmal das Samenkorn einer Pappel angesehen? Wahrscheinlich nicht. Es ist aber der Mühe werth, es zu thun. Im Mai findest Du leicht unter Schwarzpappeln und Silberpappeln oder unter den Espen oder Zitterpappeln die ersten Fruchtkätzchen am Boden liegen. Daran sieht man die aufgesprungenen Fruchtkapselchen mit einer glänzend weißen, herausquellenden Seide gefüllt. Das ist der sogenannte Samenschopf, der an den kaum Sandkorn großen Samenkörnchen sitzt. Diese kleinen Samenkörnchen sind es, die Du Dir einmal gelegentlich ansehen sollst. Sie sind viel kleiner als ein Mohnkern und doch wird aus ihnen die himmelanstrebende Pappel, und doch ist dazu in ihrem Innern Alles ebenso dazu vorgebildet, wie in einem Bohnenkerne, den ich jetzt als Beispiel wählte, um Dir den Bau der Pflanzensamen zu erläutern.

Zu dem Ende habe ich Dir auf dem meinem ersten Briefe beigelegten Blättchen einige Zeichnungen gemacht,[1] die Du, wenn Du willst, leicht mit der Wirklichkeit in der Natur vergleichen kannst.

Du weißt, daß die Bohnensamen in der langen grünen fleischigen Hülsenfrucht geborgen liegen, und mit einem kurzen dicken Stielchen, dem Samenfaden, an der einen Naht derselben befestigt sind. All den schwarzen oder sonst gefärbten Bohnen sieht man einen ovalen Fleck, an welchem dieses Stielchen festgesessen hat: man nennt ihn den Hagelfleck, und Du siehst ihn an Fig. 1. und 2. deutlich; an letzterer mit h bezeichnet. Unter dem Hagelfleck siehst Du an Fig. 2. eine kleine herzförmige Figur, auf welche die Buchstaben m k hinweisen; das ist der Keimmund. Heute mußt Du Dich mit diesen bloßen Namen begnügen. Eine nähere Beschreibung des Keimmundes würde in eine Schilderung der Entstehung und Bildung des Pflanzensamens im Innern der Frucht gehören, worüber ich Dir später einmal Einiges erzähle. Bei dem Keimen hat der Keimmund wahrscheinlich keine besondere Bestimmung; dagegen hat er dann eine sehr wichtige bei der ersten Bildung des Samens. Auf der anderen Seite des Hagelfleckes bemerkt man durch eine leichte Anschwellung den unter der Samenschale liegenden Keim, wenigstens was man im gewöhnlichen Leben Keim zu nennen pflegt. Der wissenschaftlichen Auffassung nach ist es aber nur die eine Hälfte des Keimes, nämlich sein Würzelchen. Es ist auf Fig. 2. mit w bezeichnet; und Du siehst davon einen Riß in der Samenschale, denn immer macht sich, wie Du weißt, zuerst das Würzelchen aus den Banden der Samenschale frei, tritt heraus und dringt zur Wurzelung in den Erdboden. Wenn man einem gequellten Bohnenkerne, oder einer Mandel, Erbse, Wicke, Linse, Eichel die Samenschale nimmt, so zerfällt der nun nackte Same leicht in zwei gleiche Hälften, die im Samen mit einer glatten Fläche an einander liegen und nur an einem Punkte (bei Eichel und Mandel an der Spitze) zusammenhängen. Wir werden gleich sehen, was diese beiden Körper zu bedeuten haben und wie sie die Wissenschaft benennt. Bei der Bohne liegt nun an der Hagelfleckseite seitlich zwischen diesen beiden Körpern, – der eine sichtbare in Fig. 3. ist mit s. bezeichnet – der Keim, k, und ist nur an dem Punkte, neben dem das * steht, mit diesen und diese unter sich verbunden. Fig. 3. zeigt deutlich, daß der Keim aus zwei Hälften besteht; von

  1. S. Nr. 1.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Person, die andere durch eine ihnen unbekannte Umgebung führt und sie erklärt (Quelle: Wiktionary)
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_018.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)