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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

daß ich nicht Eins in’s Andere rede. Ich meinte nur so. Ich schreibe Dir alle Wochen einen recht langen, langen Brief, da habe ich kaum etwas Nützliches zu thun, und erzähle Dir darin bald von Dem, bald von Jenem, allerlei. Aber immer soll’s was Nützliches sein. Dein Haus wird ja groß, dem kannst Du’s ja wieder erzählen, oder guten Freunden, wenn Du welche hast. Von was ich Dir erzählen werden? Das wird sich schon finden. Ich kenne dich ja. Sieh einmal z. B., jetzt schneit’s, daß man die Hand nicht vor den Augen sehen kann. Habe ich Dir schon einmal erzählt, wie sich die Schneeflocken in der Luft bilden, und wie sie so wunderschöne Figuren bilden? Neulich fragtest Du mich nach dem Wesen des Wetterglases und warum beim Bierbrauen die Gerste erst keimen müßte, um das süße Malz zu geben. Damals kamen wir wieder davon durch andere Dinge ab. Sieh, solche Dinge will ich Dir erzählen und – denn ich habe ja Zeit – auch immer durch kleine Bilderchen veranschaulichen, wo es zum Verstehen nothwendig ist.

Wie viele Millionen Samenkörner hast Du schon der Mutter Erde in den Schooß gestreut, und sie sind Dir bis auf die tauben und die die Vögel fraßen, alle aufgegangen. Das langweilige Geschäft des Säens wird Dir gewiß nicht mehr langweilig sein, wenn Du wissen wirst, wie fein das Samenkorn inwendig gebaut ist und wie, wodurch und an welcher Stelle in demselben der kleine Keim geweckt wird. Bald hoffst Du auf Regen, bald auf Sonnenschein für Deine Saatfelder. Weißt Du aber auch, was Wärme und Wasser thun, wenn sie Deine Pflanzen zum Wachsthum treiben – diese beiden großen Triebfedern in der nimmer ruhenden Werkstatt des Erdenlebens? – Wenn Du ein Bäumchen aus Deiner Pflanzschule hinaus auf einen Ackerrain setzest, so eilest Du, damit inzwischen die feinen Saugwürzelchen nicht vertrocknen und absterben. Soll ich Dir einmal den wunderbar zarten Bau eines solchen Würzelchens abzeichnen? Gewiß, Du wirst dann mit noch einmal so viel Sorgfalt beim Verpflanzen verfahren.

Als ich neulich bei Dir war, fragtest Du mich, was ich immer so allein halbe Tage lang in den Bergen herum kletterte. Jetzt will ich Dir’s sagen. Ich hatte damals just kurz vorher eine sogenannte geologische Karte bekommen, – was das heißt, will ich Dir auch einmal brieflich deutlich machen – auf welcher auch die Gegend, wo Dein Dorf liegt, mit enthalten war. Du wirst Dich wundern, wenn ich Dir einmal brieflich das mittheile, was ich damals auf meinen Spaziergängen gelernt und beobachtet habe. Du wirst dann hören, nicht nur aus was für Steinarten Eure Berge gebildet sind, sondern auch wie sie entstanden sind, daß der eine um Jahrtausende älter oder jünger als der andere ist, daß in alter, alter Zeit, noch lange vorher, ehe es Menschen gab, in Eurer Gegend Elephanten und Rhinozorosse und andere gänzlich ausgestorbene Thierarten lebten, von denen sich jetzt dort noch versteinerte Ueberreste finden.

Also – soll ich? – doch, dumme Frage! ich kenne Dich ja. Man kann Dir ja keine größere Freude machen, als mit nützlichen und lehrreichen Neuigkeiten.

Drum für heute genug. Heute über acht Tage kommt der erste Brief. Damit Du indeß vorläufige Idee von dessen Inhalt bekommst, so lege ich Dir das dazu gehörige Bildchen hier bei. Ich werde Dir darin von dem Bau und dem Keimen des Pflanzensamens Einiges erzählen. Du brauchst nicht zu antworten, außer wenn ich mich Dir nicht deutlich genug gemacht habe. Du hast in Deiner Wirthschaft zu thun.

Lebe wohl.

Dein 

über seinen eignen Einfall hocherfreuter 

Lehrer und Freund Fr. 


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Schnellpressendruck von Giesecke & Devrient in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_008.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2019)