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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Der Deutsche in Amerika.

Die Farm eines Deutschen mit Blockhaus.

Es war ein schöner Sonntagsmorgen, als ich von Dir und der Heimath Abschied nahm. Auf den Fluren lag die warme Frühlingssonne, die Vögel schmetterten ihre Lobgesänge gen Himmel und von den Thürmen unsrer kleinen Vaterstadt läuteten die Glocken und riefen die Frommen zur Kirche. Wir standen auf dem Berge und schauten hinab in das heimathliche Thal, an das sich meine schönsten und liebsten Erinnerungen knüpften. Ich werde den Augenblick nie vergessen. Du hattest den Arm um meinen Hals geschlungen, wir sprachen nicht, wir sahen uns nur still in die Augen und drückten uns die Hände und dachten der Vergangenheit. Ja, die Heimath, die liebe Heimath!

Dann zog ich mein Mützchen ab und betete. Nicht für mich, Du weißt es, mein lieber Bruder, für die alte gute Mutter flehte ich, die uns so herzlich liebte und die nun schon zwei Jahre im kühlen Grabe ruht. Und als ob mich der Gedanke an die Frau wunderbar gestärkt hätte, so drückt’ ich lächelnd dann rasch den letzten Kuß auf Deine Lippen und „Grüß mir die Mutter und das Tienchen und das Gretchen“ tönte es noch einmal und „Leb wohl – leb wohl!“ – dann schieden wir. Du gingst der alten, ich der neuen Heimath zu.

Warum ich den Entschluß faßte, der Euch und mir so viel Herzeleid bereitet hat – ich brauche es Dir nicht zu wiederholen. Ich war kein Lump, den man nach Amerika schickt, um ihn los zu werden, einerlei ob er drüben verkömmt oder ein ehrlicher Mann wird, das Faullenzen war auch meine Sache nicht, und ich habe es durch mein ganzes Leben hindurch bewiesen, daß ich arbeiten will und kann, zur Noth für zwei Mann. Daß in Amerika die Goldklumpen auf der Straße liegen, die man nur aufzuheben braucht, um sein Glück zu machen, habe ich nun gar nicht geglaubt, wie ich denn überhaupt die Welt immer nur mit nüchternem Blicke beobachtet habe. Und doch mußte ich gehen, ich mußte! Ich konnte es nicht länger aushalten in der Heimath, es zog mir das Herz zusammen, bei all’ dem Jammer und Elend, ich hätte manches Mal … es war besser so, ich ging.

Seitdem sind nun 6 Jahre vergangen. Meine Hoffnung hat mich nicht betrogen. Durch meiner Hände Arbeit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_005.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2023)