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Versuchen von Kollektivarbeit an Stelle der heutigen individuellen Arbeit ankündigt.

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Und er ist der Weg der Freiheit! Wenn in der Zukunft ein Mensch etwas Nützliches zu sagen, eine Idee zu äußern hat, welche die Ideen seines Zeitalters überflügelt, so wird er sich nicht mehr einen Verleger suchen, der ihm das nötige Kapital vorschießen soll. Er wird Mitarbeiter suchen, unter denen, welche das Handwerk verstehen und die Tragweite des neuen Werkes begriffen haben. Und gemeinsam werden sie dann das betreffende Buch oder Journal veröffentlichen.

Die Literatur und der Journalismus werden alsdann auch aufhören, ein Bereicherungsmittel zu bilden. Gibt es jemand, der etwas von Literatur und Journalismus versteht und der nicht eine Epoche herbeiwünschte, in der die Literatur sich endlich freimachen kann von denen, welche sie ehemals protegierten, von denen, welche sie heute ausbeuten, und von dem Publikum, das sie mit seltenen Ausnahmen nur wegen ihrer Banalität und der Leichtigkeit, mit der sie sich dem schlechten Geschmack der Bourgeoisie anpaßt, bezahlt?

Die Literatur und die Wissenschaft werden den Platz, der ihnen in der menschlichen Entwicklung zusteht, erst mit dem Tage einnehmen, wo sie frei von der Lohnknechtschaft, ausschließlich für die, welche sie lieben, gepflegt werden.

IV.

Die Literatur, die Wissenschaft und die Kunst müssen von Freiwilligen bedient werden. Nur unter dieser Bedingung werden sie dazu gelangen, sich vom Joche des Staates, des Kapitals und der bürgerlichen Mittelmäßigkeit, worunter sie heute ersticken, zu befreien.

Ueber welche Mittel verfügt denn heute wirklich der Gelehrte, um den Forschungen, die ihn interessieren, nachgehen zu können? Die Hülfe des Staates anzurufen, die von Hunderten nur einem gewährt wird, und die keiner erlangt, der sich nicht ostentativ bemüht, die ausgetretenen Pfade zu wandeln und die alten Geleise zu benutzen! Denken wir an das „Institut de France“, welches einen Darwin verwarf, an die Akademie von Petersburg, die einen Mendéléeff verstieß, und die königliche Gesellschaft von London, die sich weigerte, eine Abhandlung Joules, welche die Bestimmung der mechanischen Aequivalents der Wärme enthielt, zu veröffentlichen – da sie die Abhandlung[WS 1] „zu wenig wissenschaftlich“ fand.

Aus diesem Grunde sind alle großen Forschungen, alle großen Entdeckungen, welche die Wissenschaft revolutionierten, außerhalb der Akademien und der Universitäten gemacht worden, sei es von Männern, die das nötige Vermögen hatten, um unabhängig zu bleiben, – wie Darwin und Lyell, oder von Männern, die, in Not und häufig gar in Elend arbeitend, ihre Gesundheit untergruben, die aus Mangel an einem Laboratorium unendliche Zeit vergeudeten und sich nicht einmal die

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Abhandhandlung
Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/99&oldid=- (Version vom 27.8.2018)