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die Korrespondenten der ausländischen Journale sich nicht genug wundern konnten, und dies, obwohl man wußte, daß die zuletzt Gekommenen den Tag ohne Brot und Holz zubringen mußten.

Gewiß, es finden sich viel egoistische Instinkte bei den isolierten Individuen unserer Gesellschaften. Wir wissen dies sehr wohl. Aber wir wissen auch, daß das beste Mittel, diese Instinkte zu wecken oder zu nähren, wäre, wenn man die Regelung der Wohnungsfrage irgend einem Bureau anvertraute. Dann werden allerdings alle jene häßlichen Leidenschaften zutage treten. Und alles wird der entgelten müssen, der in diesem Bureau den größten Einfluß hat. Die geringste Ungleichheit wird großes Geschrei erwecken, der geringste Vorteil, der Jemandem gewährt wird, wird den Vorwurf der Bestechlichkeit laut werden lassen – und dies nicht ohne Grund!

Wenn indessen das Volk selbst, nach Straßen, Vierteln, Bezirken vereinigt, die Aufgabe auf sich nimmt, die Bewohner der Höhlen in den allzu geräumigen Wohnungen der Reichen unterzubringen, so werden die geringen Unzuträglichkeiten und die kleinen Ungleichheiten, die sich einstellen sollten, leicht aufgenommen werden. Man hat selten an die edlen Instinkte der Massen appelliert. Man hat es zuweilen während der Revolution getan, als es sich darum handelte, das versinkende Schiff zu retten – und niemals hat man sich dabei enttäuscht gefunden. Der Mann der Arbeit hat stets dem Appell an großen Opfermut zu entsprechen gewußt.

So wird es auch in einer kommenden Revolution sein.

*

Trotz alledem werden wahrlich Ungerechtigkeiten unvermeidlich sein. Es gibt Individuen in unseren Gesellschaften, die selbst ein großes Ereignis nicht aus ihrem egoistischen Geleise bringen wird. Aber es handelt sich hier auch gar nicht darum, ob es noch Ungerechtigkeiten geben wird oder nicht, sondern es handelt sich um die Mittel und Wege, mittels deren man ihre Zahl beschränken kann.

Nun, die gesamte Geschichte, die gesamte Erfahrung der Menschheit, ebenso wie die Psychologie der Gesellschaften bestätigen, daß das geeignetste Mittel dafür heißt: Die Interessenten ihre eigenen Angelegenheiten selbständig regeln zu lassen. Sie allein können die tausend Einzelheiten, die notwendig dem Bureaukraten entgehen müssen, bemerken und ihnen abhelfen.

III.

Uebrigens würde es sich auch gar nicht darum handeln, mit einem Schlage eine absolut gleiche Verteilung der Wohnungen zu erreichen; die kleinen Unzuträglichkeiten, unter denen vielleicht noch manche Wirtschaften zu leiden haben würden, ließen sich leicht und bald in einer Gesellschaft beseitigen, die sich auf dem Wege der Expropriation befindet.

Vorausgesetzt, daß die Maurer, die Steinmetzen - kurz, die Bauarbeiter – wissen, daß ihre Existenz gesichert ist, so werden sie sich

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/79&oldid=- (Version vom 3.6.2018)