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Und wenn wir die Methode skizzieren, nach welcher die Expropriation und die Verteilung der expropriierten Reichtümer ohne die Intervention einer Regierung stattfinden könnte, so tun wir dies nur, um denjenigen zu antworten, die dieses für unmöglich erklären. Auch möchten wir erinnern, daß wir keineswegs die Absicht haben, diese oder jene Organisationsform zu prophezeien. Was uns von Wichtigkeit ist, das ist einzig der Nachweis, daß die Expropriation durch die Initiative des Volkes möglich ist, oder sogar allein durch diese möglich ist.

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Es ist vorauszusehen, daß mit den ersten Akten der Expropriation in jedem Viertel, in jeder Straße, für jeden Häuserkomplex sich Gruppen wohlgesinnter Bürger bilden werden, die bereitwillig die Zahlen der leerstehenden Wohnungen, der Wohnungen, die von zu zahlreichen Familien eingenommen werden, der ungesunden Räume, der Häuser ermitteln werden, die zu geräumig für ihre Insassen sind und noch von anderen und denen bewohnt werden könnten, denen Luft und Licht in ihren gegenwärtigen Höhlen mangelt. In einigen Tagen werden diese Freiwilligen für jede Straße, jedes Viertel genaue Listen über alle Wohnungen angefertigt haben, mit den Angaben, ob sie gesund oder ungesund, ob sie zu eng oder zu geräumig, ob sie sich in schlechtem oder gutem Zustand befinden.

Aus freiem Antriebe werden sie die Resultate ihrer Listen vereinigen und in wenigen Tagen werden sie eine vollständige Statistik haben. Der Ort für trügerische Statistiken sind die Bureaus; die wahre exakte Statistik kann nur vom Individuum ausgehen; sie muß vom Einfachen zum Komplizierten aufsteigen und nicht umgekehrt.

Und dann, ohne auf Jemandes Befehl zu warten, werden diese Bürger ihre Kameraden, die in Pesthöhlen wohnen, aufsuchen und werden zu ihnen sprechen: „Dieses Mal, Kameraden, bringt die Revolution etwas Gutes. Kommt heute abend nach dem und dem Ort. Das ganze Viertel wird dort versammelt sein und man wird die Wohnungen verteilen. Wenn es euch nicht in eurem Loche gefällt, so werdet ihr euch eine der Wohnungen, sagen wir zu 5 Zimmern, auswählen. Und wenn ihr sie dann bezogen habt, so wird euch für immer geholfen sein. Das Volk wird dann mit dem ein Wörtchen reden, der euch aus ihr zu entfernen wünschte.

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„Aber jeder wird dann eine Wohnung mit 20 Zimmern haben wollen!“ – wird man uns entgegnen.

Das ist ein Irrtum. Niemals hat das Volk Unmögliches verlangt. Im Gegenteil, so oft wir sie als Gleichgestellte an die Aufgabe treten sahen, Ungerechtigkeiten zu beseitigen, waren wir immer von dem Opfermut und dem Gerechtigkeitsgefühl betroffen, von dem die Masse beseelt war. Hat man jemals das Volk das Unmögliche fordern sehen, als es während der zwei Belagerungen sich seine Rationen Brot und Holz holen ging? Man stellte sich ordnungsmäßig hintereinander auf, so wie man gekommen war, und zwar mit einer Resignation, über welche

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/78&oldid=- (Version vom 3.6.2018)