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Bauer heute versagt, nicht weil er danach kein Bedürfnis fühlte, sondern weil ihm trotz seiner entbehrungsvollen Existenz und seiner abmattenden Arbeit tausend nützliche Gegenstände unerschwinglich sind.

Die Stadt muß es sich daher sofort angelegen sein lassen, die Dinge zu produzieren, welche dem Bauer fehlen, anstatt wie heute Luxusobjekte für die Frauen der Bourgeoisie zu fabrizieren. Die Nähmaschinen von Paris werden Arbeits- und Sonntagskleider für die Landbewohner anfertigen müssen, anstatt feine Hochzeitswäsche zu nähen. Das Eisenwerk wird landwirtschaftliche Maschinen, Spaten und Rechen fabrizieren und man wird nicht auf die Engländer warten, um diese Gegenstände von jenen gegen unsern Wein einzutauschen.

Die Stadt wird auf die Dörfer nicht Kommissare mit roten oder vielfarbigen Schärpen entsenden, und sie nicht den Bauern ein Dekret überbringen lassen, sondern sie wird diese durch Freunde, durch Brüder aufsuchen lassen, die zu ihnen sagen werden: „Bringet uns Eure Produkte und nehmet dafür aus unseren Magazinen alle Manufakturwaren, die Euch gefallen.“ Dann werden die Lebensmittel in Fülle herbeiströmen. Der Bauer wird, was er selbst zum Leben bedarf, bewahren, aber den Rest wird er den Arbeitern der Städte senden, in welchen er – zum ersten Mal im Laufe der Geschichte – Brüder und nicht Ausbeuter finden wird.

*

Man wird uns vielleicht sagen, daß dies eine vollständige Umgestaltung der Industrie erfordert; – allerdings für gewisse Zweige. Doch es gibt tausend andere Industriezweige, welche sich schnell umgestalten lassen, um den Bauern die Kleidung, die Uhr, die Arbeitswerkzeuge und die einfachen Maschinen, welche ihnen die Stadt so teuer verkauft, liefern zu können. Weber, Schneider, Schuhmacher, Schlosser, Tischler und viele andere werden keine Schwierigkeit darin finden, die Luxusproduktion für nützliche Arbeit aufzugeben. Es ist nur notwendig, daß man vollkommen von der Wichtigkeit dieser Umgestaltung durchdrungen ist, daß man sie als einen Akt der Gerechtigkeit und des Fortschritts betrachtet, daß man endlich von dem den Theoretikern so teuren Traum läßt: – daß sich die Revolution nur auf eine Besitzergreifung des Mehrwertes erstrecken müsse und daß die Produktion und der Handel das bleiben könnten, was sie heute sind.

Die ganze Frage läuft unserer Meinung nach darauf hinaus: dem Landmann zum Austausch gegen seine Produkte nicht Papierfetzen, welches auch ihre Aufschrift sein möge, zu bieten, sondern ihm jene Gebrauchsartikel zu liefern, deren er bedarf. Wenn dieses geschieht, so werden die Lebensmittel den Städte zuströmen, wenn nicht, so werden wir die Hungersnot und alle ihre Konsequenzen, die Reaktion und das Blutbad haben.

VII.

Alle Großstädte, sagten wir, kaufen ihr Getreide, ihr Mehl, ihr Fleisch, nicht allein in den Provinzen ihres Landes, sondern auch im Ausland. Das Ausland entsendet nach Paris die Spezereien, den Fisch,

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/71&oldid=- (Version vom 3.6.2018)