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richten, um ihrerseits mit den Ausbeutern ihrer Gegend abzurechnen. Aber bei dem praktischen Geist, der stets die ländlichen Empörungen charakterisiert hat (erinnern wir uns der leidenschaftlichen Tätigkeit im Ackerbau vom Jahre 1792), werden die Bauern um so eifriger bestrebt sein, ihren Boden zu bebauen – den sie um so mehr lieben, je mehr er von Steuern und Hypotheken entlastet ist.

Was das Ausland anbetrifft, so wird sich auch dort überall die Revolution vollziehen; wenn auch unter den verschiedensten Bedingungen. Hier in zentralistischer, dort in föderalistischer, überall jedoch in mehr oder weniger sozialistischer Form. Nichts Einheitliches wird es geben.

VI.

Doch kommen wir auf unsere aufständische Stadt zurück und sehen wir, unter welchen Bedingungen sie ihre Unterhaltung bewerkstelligen müßte.

Woher die notwendigen Lebensmittel nehmen, wenn die Nation in ihrer Gesamtheit nicht den Kommunismus anerkennt? Das ist die Frage, die sich notwendigerweise aufwirft.

Nehmen wir eine große französische Stadt, die Hauptstadt, wenn man will. Paris konsumiert jährlich viele Millionen Zentner Getreide, 350 000 Ochsen und Kühe, 200 000 Kälber, 300 000 Schweine und mehr als 2 Millionen Hammel, abgesehen von dem importierten ausgeschlachteten Fleisch. Außerdem bedarf Paris noch der Kleinigkeit von etwa 9 Millionen Kilo Butter und 172 Millionen Eiern und vieler anderer Dinge in gleicher Menge.

Das Mehl und das Getreide kommen von den Vereinigten Staaten, Rußland, Ungarn, Italien, Aegypten, Indien, das Schlachtvieh aus Deutschland, Italien, Spanien, sogar aus Rußland und Rumänien. Was die Kaufmannswaren betrifft, so gibt es kein Land in der Welt, das nicht seinen Teil beisteuerte.

Sehen wir zuerst, auf welche Weise man es bewerkstelligen könnte, Paris oder jede andere große Stadt mit den Produkten zu versorgen, welche auf französischem Boden wachsen und von denen die Bauern nichts sehnlicher wünschen, als sie für den Konsum zu liefern.

Den autoritären Sozialisten bietet die Beantwortung dieser Frage keine Schwierigkeit. Sie konstituieren vor allem eine Regierung von starker Zentralisation und ausgerüstet mit allen Organen der Exekutive: Polizei, Heer und Guillotine. Diese Regierung wird dann eine Statistik über Alles, was man in Frankreich baut, anfertigen lassen, sie wird das Land in eine bestimmte Anzahl von Kreisen einteilen und diesen befehlen, daß sie dieses oder jenes Lebensmittel in einer bestimmten Quantität produzieren und zu einer bestimmten Zeit nach dem und dem Orte abliefern. Ein Beamter nimmt es dann in Empfang und bringt es in einem bestimmten Speicher unter – und so fort.

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Nun, wir behaupten mit voller Ueberzeugung, daß eine derartige Lösung nicht nur unvernünftig, sondern auch unmöglich wäre. Sie ist reine Utopie.

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/69&oldid=- (Version vom 3.6.2018)