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was die Frage betrifft, auf welche Weise man Ersatz für das Verzehrte schaffen wird, so wollen wir dies gerade im folgenden behandeln.

V.

Auf welchem Wege könnte eine Stadt, inmitten der sozialen Revolution, ihre Ernährung bewerkstelligen?

Wir werden diese Frage beantworten; es ist indessen klar, daß die Maßnahmen, zu denen man greifen wird, von dem Charakter der Revolution in den Provinzen wie in den benachbarten Ländern abhängen werden. Wenn die gesamte Nation oder ganz Europa mit einem Mal die soziale Revolution verwirklichen und das Prinzip des Kommunismus einführen könnte, – unser Vorgehen müßte sich dementsprechend gestalten. – Wenn aber nur einige Kommunen Europas zur Einführung des Kommunismus schreiten, so muß man andere Maßregeln wählen. Nach der Situation werden sich also die Mittel richten.

Diese Erkenntnis zwingt uns, zuvor einen orientierenden Blick auf Europa zu werfen. Ohne prophezeien zu wollen, müssen wir uns darüber klar werden, in welcher Weise sich die Revolution (wenigstens in ihren wesentlichsten Zügen) verwirklichen wird.

*

Sicherlich wäre es sehr wünschenswert, daß ganz Europa sich gleichzeitig erhebt und überall zur Expropriation schreitet und daß man überall dabei von kommunistischen Prinzipien geleitet wird. Eine derartige Erhebung würde die Aufgabe unseres Jahrhunderts bedeutend erleichtern.

Aber Alles läßt darauf schließen, daß dem nicht so sein wird. Daß die Revolution schließlich ganz Europa entzünden wird – bezweifeln wir nicht. Wenn eine der vier großen Hauptstädte des Kontinents – Paris, Wien, Brüssel oder Berlin – sich erhebt und ihre Regierung stürzt, so werden die drei anderen in einigen Monaten ein Gleiches tun. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß dann die Revolution auf den Halbinseln und selbst in London und in Petersburg nicht auf sich warten lassen wird. Aber daß der Charakter, welchen sie annehmen wird, überall der gleiche sein wird, ist sehr zu bezweifeln.

Sehr wahrscheinlicher Weise werden überall Expropriationsakte von mehr oder minder großer Ausdehnung stattfinden, und diese Akte werden, von einer der großen europäischen Nationen ausgehend, ihren Einfluß auf alle anderen ausüben. Beim Beginn der Revolution wird es indes bezüglich des Vorgehens große lokale Differenzen geben und ihre Entwicklung wird in den verschiedenen Ländern durchaus nicht identisch sein. In der großen Revolution brauchten die französischen Bauern vier Jahre, um endgültig mit den Feudalrechten aufzuräumen, und die Bourgeoisie den gleichen Zeitraum, um das Königtum zu stürzen. Vergessen wir es nicht und bereiten wir uns darauf vor, daß die Revolution zu ihrer Entfaltung eine gewisse Zeit braucht. Seien wir darauf gefaßt, sie nicht überall gleichen Schrittes vorwärts schreiten zu sehen.

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/67&oldid=- (Version vom 21.5.2018)