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seinem Belieben zu sich nehmen kann, im Kreise seiner Familie, oder mit seinen Freunden, oder auch im Restaurant, wenn er letzteres vorzieht.

Sicherlich werden an Stelle der großen Restaurants, in denen man heute die Menschen vergiftet, große Küchen entstehen. Die Pariserin ist heute schon daran gewöhnt, die Bouillon vom Schlachter zu beziehen, um mittels dieser eine Suppe nach ihrem Geschmack zu bereiten, und die Londoner Hausfrau weiß, daß sie beim Bäcker für einige Pfennige ihr Fleisch braten und sogar ihren „Apfel“- und „Rhabarberpie“ backen lassen kann und so an Zeit und Kohlen spart. Und wenn die Gemeindeküche – der Allen gemeinsame Herd der Zukunft – nicht mehr ein Ort des Betruges, der Verfälschung und der Vergiftung sein wird, so wird sich von selbst die Sitte einbürgern, aus ihr die stets fertigen hauptsächlichsten Teile der Nahrung zu beziehen – falls es nur Jedem freisteht, diesen die letzte Vollendung nach seinem eigenen Geschmacke zu geben.

Indes mittels eines Gesetzes Jedem die Pflicht aufzuerlegen, die vollständig zubereitete Nahrung in der Gemeindeküche einzunehmen – damit würde man bei dem Menschen des 19. Jahrhunderts auf das gleiche Widerstreben stoßen, als mit den Ideen des Klosters oder der Kasernen – ungesunden Ideen, welche Köpfen entsprossen sind, deren Gehirn durch Drill entartet ist, oder durch eine religiöse Erziehung gelitten hat.

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Wem wird ein Recht auf die Lebensmittel der Kommune zustehen? Dies ist sicherlich die erste Frage, die man sich stellen wird. Jede Stadt wird sie für sich beantworten, und wir sind überzeugt, daß diese Antworten den Gefühlen der Gerechtigkeit entsprechen werden. Solange die Arbeiter noch nicht organisiert sind, solange man sich noch in der Periode der Gährung befindet und solange es unmöglich ist, zwischen dem faulen Nichtstuer und dem unfreiwillig Arbeitslosen zu unterscheiden, müssen Alle auf die vorhandenen Existenzmittel, ohne Ausnahme, Anspruch haben. Diejenigen, welche mit den Waffen in der Hand den Sieg des Volkes zu verhindern suchten oder gegen es konspiriert haben, werden sich selbst beeilen, das aufständische Gebiet von ihrer Gegenwart zu befreien. Aber uns scheint, daß das Volk, stets feindlich allen Repressalien und stets großherzig, das Brot mit allen Denen teilen wird, die in seiner Mitte verbleiben werden, seien es Expropriierte oder Expropriierende. Wenn die Revolution von dieser Idee geleitet sein wird, so wird sie nicht verloren gehen; und wenn die Arbeit wieder aufgenommen wird, so wird man die Feinde von gestern morgen in derselben Werkstatt vereint finden. In einer Gesellschaft, wo die Arbeit frei sein wird, wird man keine Faulenzer zu fürchten haben.

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„Aber die Lebensmittel werden nach Verlauf eines Monats mangeln“, rufen uns schon die Herren Kritiker entgegen.

Um so besser, erwidern wir, dies wird beweisen, daß der Proletarier sich zum ersten Mal in seinem Leben satt gegessen hat. Und

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/66&oldid=- (Version vom 21.5.2018)