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Kommissionär die Order, hundert Tonnen Tee zu kaufen; er befrachtet Schiffe und in wenigen Wochen oder in drei Monaten (wenn es ein Segelschiff ist) wird ihm die gewünschte Ladung gebracht werden. Er trägt nicht einmal die Gefahren der Ueberfahrt – denn sein Tee und sein Schiff sind versichert. Und wenn er 100 000 Mk. an das Geschäft gewagt hat, so wird er 130 000 Mk. herausziehen, – vorausgesetzt, daß er nicht auf einen neuen Handelsartikel hatte spekulieren wollen, in welchem Falle er sein Vermögen verdoppeln konnte, aber auch Gefahr lief, es ganz zu verlieren.

Aber wie hat er Menschen finden können, welche sich entschlossen, den Transport zu bewirken, während dieser Zeit hart zu arbeiten, Strapazen zu ertragen, ihr Leben für einen mageren Lohn aufs Spiel zu setzen? Wie hat er in den Docks Auf- und Ablader finden können, welche er gerade so hoch bezahlte, daß sie nicht während dieser Arbeit vor Hunger starben? Wie kam dies? – Weil diese Leute im Elend waren! Gehet nach einem unserer Häfen, besuchet die Strand-Cafés und beobachtet jene Menschen, welche dort nach Arbeit verlangen, welche sich an den Docktoren schlagen, die sie vom Sonnenaufgang ab belagern, um nur zur Arbeit an den Schiffen zugelassen zu werden. Sehet Euch auch jene Seeleute an, die glücklich sind, nach wochen- und monatelangem Warten endlich für eine weite Reise engagiert zu werden; während ihres ganzen Lebens sind sie von Schiff zu Schiff gegangen und sie werden deren neue besteigen, bis sie schließlich eines Tages in den Wellen umkommen.

Tretet in ihre Hütten, betrachtet diese zerlumpten Weiber und Kinder, welche während der Abwesenheit des Vaters leben, man weiß nicht wie, – und ihr habt die Antwort.

Vermehrt diese Beispiele, wählt sie, wo es euch gut dünkt, denket über den Ursprung aller Vermögen nach, der großen wie der kleinen, ob sie aus dem Handel, aus dem Bankwesen, aus der Industrie oder der Landwirtschaft stammen. Ueberall werdet ihr konstatieren können, daß der Reichtum der einen aus der Armut der anderen stammt. Deswegen hat eine anarchistische Gesellschaft keinen Rothschild zu fürchten, der sich in ihrem Schoße niederlassen wollte. Wenn jedes Glied der Gesellschaft weiß, daß es nach einigen Stunden produktiver Arbeit ein Recht auf alle Freuden hat, welche die Zivilisation schafft, auf alle tiefen und wahren Genüsse, welche die Wissenschaft und die Kunst ihrem, Jünger gewährt, so wird er nicht für einen mageren Bissen Brotes mehr seine Arbeitskraft verkaufen. Niemand wird jenen Rothschild bereichern. Seine Taler werden Metallstücke sein, nützlich für verschiedene Verwendungen, aber unfähig, sich zu vermehren.

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Mit der Antwort auf den obigen Einwurf haben wir zu gleicher Zeit den Umfang der Expropriation bestimmt.

Die Expropriation soll sich auf alles das erstrecken, was jemanden – den Bankiers, den Industriellen oder den Landwirt – in Stand setzen könnte, sich den Arbeitsertrag anderer anzueignen. Diese Forderung ist einfach und verständlich.

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/49&oldid=- (Version vom 21.5.2018)