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ihm für einen täglichen Lohn von 3 Mk. Waren im Werte von 5 oder gar 10 Mk. herzustellen.

Leider wimmeln aber – wir wissen es nur zu gut – die armen Viertel der Stadt und die benachbarten Dörfer von Tausenden von Männern, deren Kinder vor leeren Speiseschränken tanzen. Die Fabrik ist noch nicht einmal vollendet, so strömen schon die Arbeiter herbei, um sich einstellen zu lassen. Bedarf der Bourgeois nur 100 Arbeiter, so kommen deren 1000. Und wenn die Fabrik erst im Gange ist, so wird er – falls er nicht ein sehr großer Einfaltspinsel ist – ein hübsches Sümmchen von 1000 Mk. im Jahre an jedem Mann, der bei ihm arbeitet, verdienen.

Unser Fabrikbesitzer wird sich auf diese Weise ein nettes Einkommen verschaffen. Und wenn er einen lukrativen Industriezweig erwählt hat, wenn er ein „Geschäftsmann“ ist, so wird er allmählig seine Fabrik vergrößern und seine Einkünfte erhöhen, dadurch, daß er die Zahl der Männer, welche er ausbeutet, verdoppelt.

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Dann wird er ein angesehener Mann in seiner Gegend. Er wird andere angesehene Männer, die Herren Stadträte, den Herren Deputierten zum Dejeuner einladen können. Er wird sein Vermögen mit einem anderen verheiraten und später seinen Kindern vorteilhafte Stellungen verschaffen, endlich irgend welche staatliche Konzession erlangen. Man wird ihm eine Armeelieferung zuwenden, ihn für die Präfektur vorschlagen; und alle diese Gelegenheiten wird er natürlich dazu benutzen, sein Vermögen immer mehr nach oben abzurunden. Und wenn schließlich ein Krieg kommt oder das Gerücht eines solchen auftaucht, wird er mittels einer Börsenspekulation einen großen Coup machen.

Neun Zehntel der kolossalen Vermögen in den Vereinigten Staaten (Henry George erzählt es uns in seinen „Sozialen Problemen“) stammen aus irgend einer großen Schurkerei, verübt mit der Hilfe des Staates. In unseren europäischen Monarchien oder Republiken haben sie denselben Ursprung: es gibt eben nur einen Weg, auf dem man Millionär werden kann.

Die ganze Wissenschaft, reich zu werden, besteht darin, Barfüßler zu finden, diese mit 3 Mk. zu bezahlen und sie dafür Produkte im Werte von 10 Mk. fabrizieren zu lassen, auf diese Weise ein Vermögen zusammenzuraffen, und es dann durch irgend einen großen Coup und unter Hilfe des Staates „abzurunden“.

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Ist es noch notwendig, von den kleinen Vermögen zu reden, deren Entstehen von den Oekonomisten der Sparsamkeit zugeschrieben wird? Man weiß doch nur zu gut, daß die Sparsamkeit durch sich selbst nichts „einbringt“ und nichts einbringen kann, solange nicht die „ersparten“ Pfennige zur Ausbeutung von Hungerleidern verwendet werden.

Betrachten wir uns einen Schuhmacher. Nehmen wir an, daß seine Arbeit gut bezahlt wird, daß er gute Kundschaft hat und daß er

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/47&oldid=- (Version vom 21.5.2018)