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Tage, wo der Arbeiter des Hüttenwerkes für die Allgemeinheit und nicht mehr für das Monopol produzieren wird, werden die Arbeiter nicht mehr in Lumpen einherzugehen brauchen, und es wird keine Rothschilds mehr, noch andere Ausbeuter geben.

Niemand wird es dann mehr notwendig haben, seine Arbeitskraft für einen Lohn zu verkaufen, der nur einen Teil dessen, was er in Wirklichkeit produziert hat, repräsentiert.

„Nun gut“, erwidert man uns, „so werden die Rothschilds von außerhalb kommen. Könnt Ihr es verhindern, daß ein Mann, der sich in China Millionen zusammengescharrt hat, sich unter Euch niederläßt, Arbeiter gegen Lohn annimmt, sie ausbeutet und sich auf ihre Kosten bereichert?“

„Ihr könnt doch nicht die Revolution auf der Erde mit einem Male machen. Oder werdet Ihr etwa Zollschranken an den Grenzen errichten, die Ankömmlinge durchsuchen und ihnen das Geld, welches sie bei sich tragen konfiszieren? – Gendarmen, die auf Schmuggler schießen – das wäre ein nettes Bildchen.“

Nun, in diesem Räsonnement steckt ein großer Irrtum. Er besteht darin, daß man sich niemals gefragt hat, woher denn eigentlich die Vermögen der Reichen stammen. Eine kurze Ueberlegung würde den Nachweis erbringen, daß der Ursprung dieser Vermögen das Elend der Armen ist.

Dort, wo es keine Elenden mehr geben wird, wird es auch keine Reichen mehr geben, welche sie ausbeuten könnten.

*

Werfen wir einen Blick auf das Mittelalter, in welchem sich die großen Vermögen zu bilden anfingen.

Ein Feudalbaron hat sich eines fruchtbaren Tales bemächtigt. Aber so lange diese Ländereien nicht bevölkert sind, repräsentieren sie für unseren Feudalbaron keinen Reichtum. Sein Grund und Boden liefert ihm keine Erträge; die Tatsache, Güter auf dem Monde zu besitzen, hätte für ihn den gleichen Wert gehabt. Was wird er also tun, um sich zu bereichern? Er muß sich Bauern suchen.

Indessen, wenn jeder Landbebauer ein pachtfreies Stück Land, wenn er außerdem für die Bestellung die nötigen Gerätschaften und das nötige Vieh hätte, würde er dann hingehen und die Ländereien des Barons urbar machen? Jeder würde auf seinem Besitztum bleiben. Aber es gibt ja ganze Bevölkerungen von Elenden. Sie sind durch Kriege, Dürre und Seuchen an den Rand des Abgrundes gebracht, sie haben weder Pferd noch Pflugschar. (Das Eisen war teuer im Mittelalter, noch teurer das Arbeitspferd.)

Alle diese Elenden streben nach besseren Existenzbedingungen. Sie sehen eines Tages an der Landstraße, an dem Grenzrain der dem Baron gehörigen Ländereien einen Pfahl mit einem Schilde; auf diesem findet sich in bestimmten verständlichen Zeichen die Ankündigung, daß der Landarbeiter, der sich auf diesen Ländereien niederlassen wolle, mit dem Boden zugleich auch die Arbeitsinstrumente und das Material zum Bau seiner Hütte und zum Bestellen des Feldes empfangen würde, ohne daß er während einer bestimmten Anzahl von Jahren einen

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/45&oldid=- (Version vom 21.5.2018)