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DIE EXPROPRIATION.

I.

Man erzählt, daß Rothschild im Jahre 1848, als er sein Vermögen durch die Revolution bedroht sah, folgende Posse erfand. „Ich will gerne zugeben,“ sagte er, „daß mein Vermögen auf Kosten Anderer erworben ist. Aber verteilt unter soundsoviele Millionen Europäer, würde auf die Person nur ein Taler entfallen. Ich verpflichte mich nun, jedem seinen Taler zurückzustellen, falls er ihn fordern sollte.“

Nachdem er dies erklärt und gehörig publiziert hatte, ging unser Millionär ruhig in den Straßen Frankfurts spazieren. Drei oder vier Passanten forderten ihren Taler, und er verabreichte ihnen diesen mit sardonischem Lächeln; und der Zweck war erreicht: die Familie des Millionärs ist heute noch im Besitz ihrer Schätze.

Einer ähnlichen Logik huldigen jene Schlauköpfe der Bourgeoisie, die uns sagen: „Ah! die Expropriation? ich weiß schon: Ihr nehmt allen die Ueberzieher und legt sie auf einen Haufen, und Jeder kommt dann, sich einen zu holen. Folge davon? – Man wird sich um den besten prügeln.“

Es ist dies ein fauler Scherz. Wir werden nicht sämtliche Röcke auf einen Haufen werfen, um sie alsdann zu verteilen; davon würden die, welche vor Kälte zittern, kaum einen Nutzen haben. Es handelt sich noch weniger für uns darum, die Taler Rothschilds zu verteilen. Unser Ziel geht dahin, uns derart zu organisieren, daß jedes menschliche Wesen, das zur Welt kommt, die Sicherheit hat, erstlich, eine produktive Arbeit zu erlernen und an ihr Gefallen zu finden, und zweitens, diese Arbeit leisten zu können, ohne den Grundeigentümer oder Fabrikbesitzer erst um Erlaubnis zu fragen und ohne an diese den Löwenanteil von seinen Erzeugnissen abzuführen.

Was die Reichtümer aller Art, die sich in den Händen der Rothschilds und Vanderbilts befinden, anbelangt, so werden diese uns einzig dazu dienen, unsere gemeinschaftliche Produktion besser zu organisieren.

An dem Tage, wo der Landarbeiter den Boden wird bestellen können, ohne daß er die Hälfte seiner Produkte abzugeben hat; an dem Tage, wo die Maschinen, die notwendig sind, um den Boden für große Ernten ertragsfähig zu machen, im Ueberfluß vorhanden sein und den Landwirten zur freien Verfügung stehen werden; an dem

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/44&oldid=- (Version vom 21.5.2018)