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DER ANARCHISTISCHE KOMMUNISMUS

I.

Jede Gesellschaft, welche mit dem Privateigentum gebrochen hat, wird nach unserer Meinung gezwungen sein, sich in anarchistisch-kommunistischer Form zu organisieren. Die Anarchie führt zum Kommunismus, und der Kommunismus zur Anarchie; das Eine wie das Andere ist nur der Ausdruck einer in den modernen Gesellschaften vorherrschenden Tendenz: des Strebens nach der Gleichheit.

Es gab eine Zeit, wo eine Bauernfamilie das Getreide, welches sie gebaut, die Wollkleider, die sie in ihrer Hütte gewebt, vielleicht als Früchte ihrer eigenen Arbeit betrachten konnte. Aber selbst damals war diese Anschauung nicht ganz zutreffend. Es gab damals Straßen und Brücken, – Produkte gemeinschaftlicher Arbeit; Ländereien, wo ehemals Sümpfe waren, die man durch Kollektivarbeit ausgetrocknet hatte; Gemeindewiesen, von Hecken umschlossen, an deren Pflege alle mitwirkten. Eine Verbesserung in den Webinstrumenten oder im Färbungsverfahren der Wollstoffe kam Allen zugute; in dieser Epoche schon konnte eine Bauernfamilie nur unter der Bedingung existieren, daß sie bei tausend Gelegenheiten Schutz am Dorfe oder an der Kommune fand.

Aber heute, bei einem Zustand der Industrie, wo alles eng verwachsen und verschlungen ist, wo jeder Produktionszweig sich aller anderen bedienen muß, ist das Bestreben, den Produkten einen individualistischen Ursprung beizumessen, etwas Anmaßendes und absolut Unhaltbares. Wenn die Textilindustrie oder die Metallwarenbranche in den zivilisierten Ländern eine erstaunliche Vervollkommnung erfahren haben, so verdanken sie es der gleichzeitigen Entwicklung von tausend anderen großen wie kleinen Industrien; sie verdanken es der Ausbreitung des Eisenbahnnetzes, der transatlantischen Schiffahrt, der Geschicklichkeit von Millionen von Arbeitern, einem gewissen Grade allgemeiner Kultur in der ganzen Arbeiterklasse, kurz, den gesamten Arbeitsleistungen der Welt.

Die Italiener, welche beim Durchstich des Suezkanals an der Cholera starben, oder an der Gicht im Gotthardtunnel, ebenso die Amerikaner, welche scharenweise im Geschützregen dahinsanken – im Kriege für die Abschaffung der Sklaverei –, haben zur Entwicklung

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/35&oldid=- (Version vom 21.5.2018)