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DER WOHLSTAND FÜR ALLE.

I.

Der Wohlstand für Alle ist nicht ein Traum. Er ist möglich, realisierbar nach alledem, was unsere Vorfahren getan haben, um unsere Arbeitskraft zu befruchten. Wir wissen, daß die eigentlichen Produzenten, welche kaum ein Drittel der Einwohner in den zivilisierten Ländern bilden, schon heute genügend produzieren, um dem Herde einer jeden Familie einen gewissen Wohlstand bescheren zu können. Wir wissen außerdem, daß, wenn alle Diejenigen, welche heute die Früchte fremder Arbeit vergeuden, gezwungen wären, ihre Mußezeit mit nützlichen Arbeiten auszufüllen, unser Reichtum in vielfachem Verhältnis zur Zahl der produzierenden Arme wachsen würde. Wir wissen endlich, daß im Gegensatz zur Theorie des Priesters der bürgerlichen Wissenschaft – Malthus – die Produktivkraft des Menschen viel schneller wächst, als seine Fortpflanzung von statten geht. Je mehr Menschen sich auf ein Territorium zusammendrängen, um so größer ist das Wachstum ihrer Produktivkräfte.

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Während die Bevölkerung Englands vom Jahre 1844 ab nur um 62 Prozent wuchs, hat sich seine Produktivkraft in der gleichen Zeit, schlecht gerechnet, verdoppelt – um 130 Prozent vermehrt. In Frankreich, wo sich die Bevölkerung weniger stark vermehrt hat, ist ihre Steigerung gleichwohl eine äußerst rapide gewesen. Trotz der Krise, welche auf der Landwirtschaft lastet, trotz der schwankenden Leitung des Staates, trotz der Blutsteuer, trotz der ungünstigen Lage des Bankwesens, der Finanzen und der Industrie hat sich während der letzten 80 Jahre die Weizenproduktion daselbst vervierfacht und die industrielle Produktion verzehnfacht. In den Vereinigten Staaten ist das Wachstum ein noch erstaunlicheres gewesen: trotz der Einwanderung oder vielmehr gerade wegen dieses auf Amerika sich abwälzenden „Ueberschusses“ an europäischen Arbeitern haben die Vereinigten Staaten ihre Produktion in kurzer Zeit verzehnfachen können.

Aber diese Zahlen geben uns nur eine schwache Vorstellung von dem, was unsere Produktion unter günstigeren Bedingungen leisten könnte. Wenn sich heute die Produktionsfähigkeit steigert, so wächst zu gleicher Zeit die Zahl der Müßiggänger und Schmarotzerexistenzen

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/26&oldid=- (Version vom 21.5.2018)