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Also mit welchem Recht darf sich irgend jemand auch nur des geringsten Teiles dieses unermeßlichen Ganzen bemächtigen und sagen: „Das gehört mir und nicht euch“?

III.

Aber in der Reihe der von der Menschheit durchlebten Zeitalter ist es dahin gekommen, daß alles, was dem Menschen zur Produktion notwendig ist, und was zur Vergrößerung seiner Produktionskraft dient, von einigen Wenigen an sich gerissen worden ist. Wir werden seiner Zeit vielleicht näher darauf eingehen und erzählen, wie dieses vor sich gegangen ist. Für den Augenblick genügt es uns, diese Tatsache zu konstatieren und die Konsequenzen aus ihr zu ziehen.

Heute, wo der Grund und Boden gerade durch die Bedürfnisse einer immer wachsenden Bevölkerung seinen Wert erhält, gehört er einer kleinen Minderzahl, welche das Volk verhindern kann – und es auch tut –, ihn überhaupt zu kultivieren, oder es doch verwehrt, ihn entsprechend den modernen Bedürfnissen zu bebauen. Die Bergwerke, welche die Arbeit mehrerer Generationen repräsentieren und ihren Wert erst wohl durch die Bedürfnisse der Industrie und die Dichtigkeit der Bevölkerung erhalten, gehören wieder nur einigen wenigen Personen, und diese wenigen Personen beschränken die Ausbeute der Gruben oder verhindern sie völlig, wenn sie eine günstige Anlage für ihre Kapitalien finden. Auch die Maschine ist das Eigentum Einzelner, und selbst, wenn eine solche unbestreitbar den Stempel der Vervollkommnungen seitens dreier Arbeitergenerationen an sich trägt, sie gehört nichtsdestoweniger einigen Kapitalisten; und wenn die Enkel desselben Erfinders, welcher vor hundert Jahren die erste Spitzenwebmaschine konstruiert hat, heute in einer Manufaktur von Basel oder Nottingham aufträten und ihr Recht geltend machten, so würde man ihnen antworten: „Macht, daß Ihr fortkommt, diese Maschine ist nicht Euer Eigentum“, und man würde sie füsilieren, wenn sie ernsthaft von ihr Besitz ergreifen wollten.

Die Eisenbahnen, welche ohne die dichte Bevölkerung Europas, ohne seine Industrie, ohne seinen Handel und Wandel nur altes Eisen sein würden, gehören einigen Aktionären, die vielleicht nicht einmal wissen, wo die Strecken liegen, welche ihnen Revenuen, weit größer, als die eines mittelalterlichen Königs, eintragen. Und wenn die Kinder Derer, die zu Tausenden bei Durchstichen und Tunnelbauten umkamen, sich eines Tages versammelten und, eine zerlumpte und ausgehungerte Masse, von den Aktionären Brot fordern wollten, so würden sie Bajonetten und Kanonen begegnen, die sie auseinandertreiben und die „wohlerworbenen Rechte“, schützen würden.

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In Folge dieser ungeheuerlichen Organisation der Gesellschaft findet der Sohn des Arbeiters, wenn er in das Leben tritt, weder ein Feld, das er bebauen, noch eine Maschine, die er bedienen, noch ein Bergwerk, in dem er graben könnte – wenn er nicht einen großen Teil seines Arbeitsproduktes an den Herrn dieser Produktionsmittel abführt.

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/22&oldid=- (Version vom 21.5.2018)