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Bei alledem mühen sich indessen die Gemüsegärtner von Paris und Rouen noch dreimal mehr ab, als ihre Kollegen in Guernesey und England, die trotzdem zu den gleichen Resultaten als jene gelangen. Indem diese die Industrie in die Landwirtschaft einführen, erzeugen sie neben der Erde auch noch das Klima.

In der Tat, die gesamte Gemüsekultur ist auf diesen zwei Prinzipien basiert:

1. Unter Glasbedachung zu säen: die jungen Pflanzen in einem üppigen Boden und auf einem beschränkten Raum, wo man sie gut pflegen kann, aufzuziehen; und sie später, wenn sie kräftige Wurzeln entwickelt haben, zu verpflanzen. Zu tun, was man mit dem Vieh getan hat, d. h. ihnen in ihrer Jugend Sorgfalt widmen.

Und 2. um frühzeitige Ernten zu erzielen, den Boden und die Luft zu heizen, zu welchem Zwecke man die Pflanzen mit Glasdächern oder Glocken bedeckt und in dem Boden durch die Gärung des Düngers eine starke Wärme erzeugt.

Das Umpflanzungsverfahren und eine bedingungsweise erhöhte Temperatur, – das ist das Wesen der Gartenkultur, nachdem man einmal den Boden künstlich fabriziert hat.

Wie wir gesehen haben, ist die erste der beiden Bedingungen schon Wirklichkeit geworden und erfordert nur noch einige Vervollkommnungen in den Einzelheiten. Und um die zweite – die Erwärmung der Erde und der Luft – zu verwirklichen, hat man nur den Dünger durch warmes Wasser, das in Metallröhren im Erdboden oder im Inneren von Wärmhäusern zirkuliert, zu ersetzen.

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Aber auch dieses hat man schon geleistet. Der Pariser Gemüsegärtner fordert teilweise schon vom „Thermo-Syphon“ die Wärme, die er früher durch den Dünger erzielte. Und der englische Gärtner baut sich heute schon seine Wärmehaus.

Ehemals war das Wärmhaus ein Luxus der Reichen. Man bewahrte darin exotische Zierpflanzen. Heute ist dasselbe zum Volke herabgestiegen. Ganze Hektare sind auf den Inseln Jersey und Guernesey mit Glas überdacht, ohne die Tausende von kleinen Wärmhäusern zu rechnen, welche man auf Guernesey auf jedem Landgut, in jedem Garten antrifft. In der Umgegend von London beginnt man gleichfalls schon, ganze Felder mit Glas zu überdachen und tausende von kleinen Wärmhäusern bevölkern von Jahr zu Jahr die Vorstädte.

Man stellt sie in allen Qualitäten her, von dem Wärmhaus mit Granitmauern bis zu dem bescheidenen Schutzdach, dessen Wände aus Tannenbrettern und dessen Dach aus dünnem Glas besteht und dessen Preis, trotz aller kapitalistischen Blutsauger, pro Quadratmeter nicht mehr als 4 oder 5 Frcs. beträgt. Man heizt sie oder man heizt sie nicht (das Schutzdach allein genügt, wenn man es nicht gerade auf Erstlingsfrüchte absieht); und man läßt hier wachsen – nicht mehr Trauben oder tropische Blumen – sondern Kartoffeln, Karotten, Erbsen und Bohnen.

Man emanzipiert sich auf diese Weise von dem Klima. Man erspart sich die mühsame Arbeit der Mistbeete, man kauft nicht mehr den natürlichen

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/184&oldid=- (Version vom 21.5.2018)