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in Reihen pflanzen lassen. Und bei alledem würde man noch keine 25 Arbeitstage, à 5 Stunden gerechnet, verausgabt haben, falls sich nur die Arbeit unter günstigen Bedingungen vollzieht. Möge man ruhig während dreier oder vier Jahren 10 Millionen Arbeitstage für eine gewissenhafte Kultur verausgaben, man wird später dafür Ernten von 40 und 50 Hektoliter pro Hektar haben, ohne daß man dann mehr als die Hälfte jener Zeit auf die Bestellung verwendet.

Man wird also nur 15 Millionen Arbeitstage zu verausgaben haben, um dieser Bevölkerung von 3 600 000 Einwohnern das Brot zu schaffen. Und die Art der Arbeit wird obendrein eine derartige sein, daß sie jeder verrichten kann, auch wenn er über keine Muskeln von Stahl verfügte und nie vorher Feldarbeit verrichtet hätte. Die Initiative und die allgemeine Verteilung der Arbeiten werden von denen ausgehen, welche die Bedürfnisse des Bodens kennen. Was die Arbeit selbst anbetrifft, so gibt es keinen Pariser und keine Pariserin, die so degeneriert wären, daß sie nicht nach einigen Stunden Lehrzeit die Maschinen überwachen oder ihren Teil Feldarbeit leisten könnten.

Wenn man nun bedenkt, daß es in dem gegenwärtigen Chaos, ohne die Müßiggänger der „oberen“ Klassen zu rechnen, gegen 100 000 den verschiedensten Berufen angehörige Menschen gibt, die fast ständig arbeitslos sind, so sieht man, daß die Arbeitskraft, die in unserer gegenwärtigen Organisation verloren geht, allein genügen würde, um bei einer rationellen Kultur das Brot für die 3 oder 4 Millionen Einwohner der beiden Departements zu schaffen.

Wir wiederholen, dies ist kein Roman. Wir haben noch nicht einmal von der wahrhaft intensiven Kultur gesprochen, die noch weit überraschendere Resultate liefert. Wir haben unsere Rechnungen nicht auf jene in 3 Jahren durch Mr. Hallet gewonnenen Getreidemengen aufgebaut. Mittels eines Umpflanzungsverfahrens erzielte er aus einem einzigen Getreidekorn einen Büschel, dessen Halme mehr als 10 000 Körner trugen. Bei derartigen Resultaten könnte man den Lebensunterhalt einer Familie von 5 Personen auf einem Raum von 100 Quadratmetern erhalten. Wir haben nur die Erfolge erwähnt, die schon von zahlreichen Landwirten in Frankreich, England, Belgien, Flandern usw. erzielt worden sind, und die sich, auf Grund der Erfahrungen und Kenntnisse, die man durch die vielfachen praktischen Versuche im Großen gesammelt hat, morgen allgemein verwirklichen ließen.

Aber ohne die Revolution wird dies nicht geschehen. Und zwar: weil die Großgrund- und Kapitalbesitzer kein Interesse daran haben würden, und weil die Bauern, welche davon Nutzen haben würden, weder das Wissen, noch das Geld, noch die Zeit zu den ersten notwendigen Arbeiten besitzen.

Die gegenwärtige Gesellschaft ist nicht dazu berufen. Mögen die Pariser nur die anarchistische Kommune erklären, – dann werden sie dazu gelangen müssen. Sie werden nicht die Torheit besitzen, bei der Fabrikation von Luxusspielsachen (welche Wien, Warschau und Berlin schon ebenso gut herstellen) zu verbleiben, und sie werden sich nicht der Gefahr aussetzen, ohne Brot zu bleiben.

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/179&oldid=- (Version vom 21.5.2018)