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Industrie ist nicht mehr ein Monopol Englands; man macht Schwefelsäure und Soda heute überall. Die Maschinen aller Art, die in der Umgebung von Zürich fabriziert werden, zeichneten sich auf einer der letzten Weltausstellungen vor allen übrigen aus: die Schweiz, die weder Eisen noch Kohle hat, stellt bessere und billigere Maschinen als England her – das ist, was von der Theorie des Austausches der Produkte zwischen den verschiedenen Ländern und vom Mutterland[WS 1] zur Kolonie übrig bleibt.

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Also die Tendenz für die Industrie – wie für alles Uebrige – heißt Dezentralisation.

Jede Nation findet es heute vorteilhaft, im eigenen Lande den Ackerbau mit einer großen Anzahl der verschiedensten Fabriken und Manufakturen zu kombinieren. Die Spezialisation, von der die Oekonomisten so viel gesprochen haben, war gut, um einige Kapitalisten zu bereichern: aber sie hat kein Recht mehr zu bestehen, und es bringt im Gegenteil nur Vorteil, wenn jedes Land, jeder abgeschlossene geographische Bezirk selbst sein Getreide, sein Gemüse baut und selbst die Manufakturprodukte, deren es bedarf, herstellt. Diese Vielseitigkeit ist die beste Gewähr für eine hohe Entwicklung der Produktion. Und sie wird resultieren aus den wechselseitigen Wettbestrebungen aller fortschrittlichen Elemente. Die Spezialisation bedeutet Stillstand.

Der Ackerbau kann nur neben der Industrie prosperieren. Und sobald irgendwo eine Fabrik ersteht, so müssen in deren Umgebung noch viele andere verschiedenster Art angelegt werden, damit sie, sich gegenseitig unterstützend und eine die andere durch ihre Erfindungen anstachelnd, gemeinsam einer ständigen Entwicklung entgegengehen.

III.

Es ist einfach unsinnig, Getreide, Wolle und Eisen zu exportieren und dafür Mehl, Tuch und Maschinen zu importieren, – nicht allein, weil der Transport unnütze Kosten verursacht, sondern auch, weil ein Land, welches keine entwickelte Industrie hat, gezwungenermaßen auch im Ackerbau zurückbleibt, weil ein Land, das über keine großen Hüttenwerke zur Anfertigung des Stahles verfügt, auch in allen übrigen Industriezweigen zurückstehen muß, weil endlich Zahlreiche industrielle und technische Kapazitäten ohne Verwendung bleiben.

In der Welt der Produktion steht heute alles in einem innigen Zusammenhang. Die Landwirtschaft ist nicht mehr möglich ohne Maschinen, ohne großartige Bewässerungsanlagen, ohne Eisenbahnen, ohne Düngerfabriken. Und um jene den Oertlichkeiten entsprechenden Maschinen, jene Eisenbahnen, jene Bewässerungsmittel usw. usw. zu haben, muß sich ein gewisser Erfindungsgeist, eine gewisse technische Geschicklichkeit entwickeln, welche sich nicht heranbilden können, solange die Hacke oder die Pflugschar die einzigen Instrumente der Landwirtschaft bleiben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Mutterand
Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/169&oldid=- (Version vom 21.5.2018)