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riet? Oder jenen Freiwilligen, gekommen von wer weiß wo her, die Tag und Nacht auf der Schiffsbrücke zubrachten, um jeden Meter Kabel genau zu untersuchen und aus ihnen die Nägel zu entfernen, die von den Aktionären der Seegesellschaften in das isolierende Lager des Kabels getrieben worden waren, um dadurch dasselbe außer Tätigkeit zu setzen?

Und um von der weitesten Domäne, dem ganzen Bereich des menschlichen Lebens mit seinen Schmerzen, Freuden und Unfällen zu sprechen, – könnte nicht jeder daselbst jemanden namhaft machen, welcher ihm den größten Dienst seines Lebens erwiesen hat, und würde er nicht in Entrüstung geraten, wenn man davon spräche, diesen in Geldform abschätzen zu wollen? Dieser Dienst kann nur in einem Wort, einem zur rechten Zeit zufällig gesprochenen Wort bestehen, oder es können Monate und Jahre voller Aufopferung gewesen sein. – Werdet Ihr auch diese Dienste, „die unberechenbaren“, „in Arbeitsbons“ umrechnen?

„Die Werke eines Jeden!“ – Doch die Gesellschaften würden nicht zwei Generationen überleben, sie würden in 50 Jahren verschwunden sein, wenn nicht jeder unendlich viel mehr gäbe, als ihm Geld entschädigt würde oder in „Arbeitsbons“ und irgend welchen andern bürgerlichen Belohnungen geboten werden könnte. Es hieße die Ausrottung der Menschheit, wenn die Mutter nicht mehr ihr Leben wagte, um das ihrer Kinder zu retten, wenn jeder Mensch nicht manches gäbe, ohne zu rechnen, wenn der Mensch besonders nicht da gäbe, wo er auf keine Entschädigung rechnet.

Und wenn die bürgerliche Gesellschaft im Untergang begriffen ist; wenn wir uns heute in einer Sackgasse befinden, aus der wir nicht entrinnen können, ohne daß wir Säge und Axt an die Institutionen der Vergangenheit legen, so besteht die Schuld gerade darin, daß man zu viel gerechnet hat. Es ist unsere Schuld, daß wir uns zu dem Grundsatze haben hinreißen lassen, nur zu geben, um zu empfangen, d. h. daß wir aus der Gesellschaft eine Handelskompagnie, die auf dem Prinzip des Soll und Habens basiert, machen wollten.

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Die Kollektivisten wissen dies übrigens gleichfalls. Sie begreifen allmählich, daß eine Gesellschaft, die dieses Prinzip: „Jedem nach seinen Werken“ auf die Spitze treibt, nicht bestehen kann. Sie ahnen, daß die Bedürfnisse des Individuums nicht immer seinen Werken entsprechen können. Daher sagt denn auch De Paepe:

„Dieses Prinzip – eminent individualistischer Natur – wird schließlich gemildert durch die Intervention der Gesellschaft bezüglich der Erziehung (inbegriffen sind dabei Kleidung, Nahrung usw.) der Kinder und jungen Männer und durch die Organisation der Gesellschaft zur Unterstützung der Schwachen, der Kranken und der invalid gewordenen alten Arbeiter usw.“

Sie ahnen, daß der Mann von 40 Jahren, der Vater dreier Kinder, andere Bedürfnisse hat, als der junge Mann von 20 Jahren. Sie ahnen, daß die Frau, welche ihr Kleines säugt und schlaflose Nächte auf ihrem Pfühl verbringt, nicht die gleichen Werke verrichten kann, als der Mann,

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/151&oldid=- (Version vom 27.8.2018)