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sich nach neuen Prinzipien organisieren. Wir werden die unsrigen vorziehen.“

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Das ist, was man in einer kommunistischen Gesellschaft tun könnte, wenn die Müßiggänger so zahlreich werden sollten, daß man sich ihrer zu erwehren hätte.

IV.

Doch wir zweifeln stark daran, daß man diese Eventualität in einer Gesellschaft, die auf der vollständigen Freiheit des Individuums beruht, zu befürchten hat.

In der Tat, trotz des Vorschubs, der dem Müßiggang durch den individuellen Kapitalbesitz geleistet wird, ist jetzt schon der wahrhaft faule Mensch äußerst selten, in den meisten Fällen ist er ein Kranker.

Man sagt sehr häufig in Arbeiterkreisen, daß die Reichen Müßiggänger sind. Es gibt unter ihnen deren allerdings genug, doch bilden sie auch bei ihnen nur die Ausnahme. Im Gegenteil, in jeder industriellen Unternehmung ist man sicher, einen oder mehrere Bourgeois zu finden, die viel, sehr viel arbeiten. Es ist wahr, daß die große Zahl der Reichen ihre günstige Lage dazu benutzt, um sich weniger unangenehmen Arbeiten hinzugeben, und daß sie unter gesunden Nahrungs-, Luft- usw. Bedingungen arbeitet, die es ihr möglich macht, sich ihrer Arbeit ohne große Ermüdung zu entledigen. Dies sind aber gerade auch die Bedingungen, die wir für alle Arbeiter ohne Ausnahme anstreben. Man muß auch sagen, daß dank ihrer privilegierten Stellung die Reichen häufig eine absolut unnütze und häufig sogar für die Gesellschaft schädliche Arbeit verrichten. Die Kaiser, Minister, hohen Beamten, Fabrikleiter, Kaufleute, Bankiers usw. verrichten auch täglich eine Arbeit, die sie als mehr oder weniger lästig empfinden – Alle ziehen ihre Mußestunden denen der zwangsweisen Arbeit vor. Und wenn in neun Fällen auf zehn diese Arbeit eine verderbliche ist, so ist dieselbe deswegen nicht weniger ermüdend. Wenn die Bourgeois Müßiggänger wären, so würden sie schon seit langem nicht mehr existieren. Aber es ist eine Tatsache, daß sie eine große Energie und Arbeitstätigkeit aufwenden, um ihre privilegierte Stellung zu verteidigen. Durch ihre Arbeitstätigkeit haben sie den Grundadel gestürzt, und damit fahren sie fort, die Masse des Volkes zu beherrschen.

In einer Gesellschaft, welche von ihnen täglich nur 4 oder 5 Stunden nützlicher, angenehmer und gesunder Arbeit fordern würde, würden sie diese Mühe gern auf sich nehmen; aber gewiß, sie würden sich nicht jenen furchtbaren Bedingungen unterziehen, unter welchen sie heute die Arbeit durch Andere verrichten lassen. Wenn ein Pasteur nur 5 oder 6 Stunden in den Abzugskanälen von Paris umherginge, glaubet mir, er würde bald ein Mittel gefunden haben, um sie ebenso gesund zu machen, wie sein bakteriologisches Laboratorium.

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Was den Müßiggang der ungeheuren Majorität der Arbeiter betrifft, so können nur Oekonomisten und Philanthropen darüber predigen.

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/137&oldid=- (Version vom 17.8.2017)