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und dies genügt gewöhnlich schon. Man glaubt im allgemeinen – wenigstens lehrt man es –, daß der Handel nur mittels der Drohung mit den Gerichten zur Erfüllung seiner Pflichten angehalten werden kann; nichts ist unwahrer als dies. Dort, wo der Verkehr am lebhaftesten ist, wie in London, genügt die Tatsache allein, einen Gläubiger zur Klage gezwungen zu haben, der ungeheuren Majorität der Kaufleute, hinfort jede Geschäftsbeziehung mit dem abzubrechen, der sie mit dem Advokaten in Berührung bringen könnte.

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Warum sollte also das, was heute schon zwischen den Arbeitern einer Werkstatt, zwischen den Kaufleuten und den Eisenbahnkompagnien möglich ist, nicht auch in einer Gesellschaft möglich sein, die auf der freiwilligen Arbeit basiert?

Man stelle sie sich doch nur einmal als eine Assoziation vor, die mit jedem seiner Mitglieder folgenden Kontrakt abschlösse: „Wir sind bereit, Euch unsere Häuser, Magazine, Straßen, Verkehrsmittel, Schulen, Museen usw. zur Verfügung zu stellen – unter der Bedingung, daß Ihr Euch Eurerseits vom zwanzigsten bis zum fünfundvierzigsten resp. fünfzigsten Jahre täglich vier oder fünf Stunden einer für die Lebenserhaltung als notwendig anerkannten Arbeit unterzieht. Wählet selbst die Gruppen, denen Ihr Euch anschließen wollt, oder konstituiert eine neue Gruppe, vorausgesetzt, daß sie sich nur die Aufgabe stellt, das anerkannt Notwendige zu produzieren. Und für den Rest Eurer Zeit vereinigt Euch zu Gruppen, mit wem Ihr wollt – zum Zwecke der Erholung in Vergnügungen, wissenschaftlicher oder künstlerischer Tätigkeit ganz nach Eurem Geschmack.

1200–1500 Arbeitsstunden im Jahre, geleistet in einer der Gruppen, welche die Nahrung, die Kleidung, die Behausung produzieren oder in der öffentlichen Gesundheitspflege oder im Verkehrsgebiete usw. tätig sind – das ist alles, was wir von Euch verlangen, um Euch dafür alles das zu garantieren, was diese Gruppen produzieren oder produziert haben. Doch wenn keine der Tausende von Gruppen unserer Föderation Euch aufnehmen will – aus welchem Motive es auch sein möge – wenn Ihr absolut unfähig sein solltet, etwas Nützliches zu produzieren, oder Ihr Euch weigern solltet, es zu tun, nun, so lebet als Isolierte oder wie die Kranken. Wenn wir reich genug sein werden, so daß wir Euch nicht das Notwendige zu versagen brauchen, so werden wir erfreut sein, dieser Menschenpflicht genügen zu können. Ihr seid Menschen und Ihr habt ein Recht, zu leben. Da Ihr Euch aber unter besondere Bedingungen stellen und die Reihen der Genossen meiden wollt, so ist sehr wahrscheinlich, daß Ihr dies in Euren täglichen Beziehungen zu den andern Bürgern zu fühlen bekommen werdet. Man wird Euch betrachten wie ein Gespenst aus der bürgerlichen Gesellschaft und Euch fliehen – wofern nicht Freunde, die in Euch ein Genie entdeckt haben, sich beeilen, Euch von jeder moralischen Verpflichtung zu befreien, indem sie der Gesellschaft die Euch zufallende, für die Lebenserhaltung notwendige Arbeit für Euch mitleisten.

Und wenn Euch auch dies nicht gefällt, so gehet und suchet, ob Ihr anderswo in der Welt für Euch günstigere Bedingungen findet, oder suchet Anhänger zu finden und bildet mit diesen andere Gruppen, die

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/136&oldid=- (Version vom 17.8.2017)