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es der Presse verboten wurde, Eisenbahnunglücksfälle zu erwähnen, damit deren Aktien, für die er gebürgt, nicht entwertet würden? Hat er nicht tatsächlich das Monopol begünstigt, welches die Vanderbilts wie die Polyakoffs, die Direktoren des P. L. M. und diejenigen der Gotthardbahn „zu den Königen der Zeit“ gemacht hat?

Wenn wir also das stillschweigend[WS 1] erzielte Einvernehmen zwischen den Eisenbahnkompagnien als Beispiel anführten, so geschah es nicht, um ein Ideal einer technischen Organisation zu geben. Es geschah, um zu beweisen, daß, wenn die Kapitalisten, ohne ein anderes Ziel zu haben, als ihre Profite auf Kosten der Gesamtheit zu vermehren, dazu gelangen können, die Eisenbahnen auszubeuten und zwar ohne daß sie zu diesem Zwecke ein internationales Bureau gründen – die Arbeitergenossenschaften es ebenso gut, wenn nicht besser, können werden, ohne einen europäischen Eisenbahnminister zu ernennen.

Ein anderer Einwurf, scheinbar ernsterer Natur, ist folgender. Man könnte sagen, daß die Vereinbarung, von der wir sprechen, keineswegs eine freie ist, daß die großen Kompagnien den kleinen die Gesetze vorschreiben. Man könnte z. B. jene reiche Kompagnie erwähnen, welche die Reisenden, die von Berlin nach Basel wollen, zwingt, über Köln oder Frankfurt zu fahren, anstatt die Strecke über Leipzig zu benutzen; eine andere, welche, um einflußreichen Aktionären Vorteile zu verschaffen (bei weiten Strecken) die Waren einen Umweg von 200 Kilometern machen läßt; eine dritte schließlich, die darauf ausgeht, Sekundärlinien zugrunde zu richten. In den Vereinigten Staaten werden die Reisenden und die Waren vielfach auf den unwahrscheinlichsten Strecken befördert, damit die Dollars in die Tasche eines Vanderbilts fließen.

Unsere Antwort darauf ist die gleiche. Solange das Kapital besteht, wird das Großkapital stets das kleine unterdrücken. Doch diese Unterdrückung resultiert nicht allein aus dem Kapital. Gerade mit der Hülfe des Staates, mittels des durch den Staat zu ihren Gunsten geschaffenen Monopols, unterdrücken die großen Kompagnien die kleinen.

Marx hat uns in trefflicher Weise gezeigt, wie die englische Gesetzgebung alles getan, um die Kleinindustrie zu unterdrücken, den Bauern dem Elend zu überliefern und den großen Industriellen ganze Bataillone von Barfüßlern zuzuführen, die gezwungen waren, für den Spottlohn, den man ihnen bot, zu arbeiten. Ebenso verhält es sich mit der Gesetzgebung bezüglich der Eisenbahnen. Strategische Linien, subventionierte Linien, Linien mit dem Monopol der internationalen Post, alle diese Einrichtungen sind geschaffen worden im Interesse der großen Herren der Finanz. Wenn Rotschild – der Gläubiger der gesamten europäischen Staaten – sein Kapital in irgend eine Eisenbahn steckt, so wissen es seine getreuen Diener, die Minister, meist zu arrangieren, daß er auch seinen Vorteil dabei findet.

In den Vereinigten Staate – dieser Demokratie, welche uns die autoritären Sozialisten vielfach als ein Ideal hinstellen – herrscht der furchtbarste Schwindel in allem, was Eisenbahnen heißt. Wenn diese oder jene Kompagnie ihre Konkurrenten durch einen erniedrigten Tarif ruiniert hat, so bereichert sie sich sicherlich auf der anderen Seite an

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: stillscheigend
Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/118&oldid=- (Version vom 3.6.2018)