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Die Kerze, die Lampe und selbst das Gas haben ihre Zeit gehabt. Es gibt ganze Städte, in denen es genügt, auf einen Knopf zu drücken, um sofort eine strahlende Helligkeit hervorzuzaubern; und genau genommen, ist es auch wieder nur eine einfache Sache der Sparsamkeit und des Wissens, sich den Luxus der elektrischen Lampe zu verschaffen.

Kurz, man stellt sich schon die Frage (immer wieder in Amerika), ob man nicht durch Bildung von Gesellschaften die gesamte Haushaltungsarbeit beseitigen könne. Man könnte z. B. es erreichen, wenn man für jeden Häuserkomplex einen Haushaltungsdienst ins Leben riefe. Ein Wagen würde kommen, um die Körbe abzuholen, welche mit Schuhzeug, das zu bürsten, mit Geschirr, welches zu reinigen, mit Wäsche, die zu waschen ist, mit allerhand Kleinigkeiten, die zu flicken sind (falls es noch der Mühe lohnt), mit Teppichen, die zu klopfen usw., gefüllt sind; – und am nächsten Morgen würde alles in bester Ordnung zurückgebracht werden, was man diesem Dienste anvertraut hätte. Einige Stunden später würden dann auf eurem Tische, und zwar von dem gleichen Dienste euer warmer Kaffee und gut abgekochte Eier erscheinen.

In der Tat, zwischen Mittags 12 und ½3 Uhr gibt es sicherlich 20 Millionen Amerikaner und ebensoviel Engländer, welche alle einen Rinder- oder Hammelbraten, gekochtes Schweinefleisch, gekochte Kartoffeln und das Gemüse der betreffenden Jahreszeit essen. Und es sind, niedrig gerechnet, 8 Millionen Feuer, die während 2 oder 3 Stunden brennen, um dieses Fleisch zu braten und dieses Gemüse zu kochen; 8 Millionen Frauen, die ihre Zeit damit verschwenden, dieses Mahl zuzubereiten, welches vielleicht in nicht mehr als 10 Gerichten besteht.

„Fünfzig Feuer“, schrieb eines Tages eine Amerikanerin, „da, wo ein einziges genügte!“ Esset an eurem Tisch, in der Familie, mit euren Kindern, wenn ihr wollt, aber ich bitte euch, warum sollen 50 Frauen ihre Vormittage vergeuden, um einige Tassen Kaffee zu machen und dieses einfache Frühstück zu bereiten! Warum 50 Feuer, wenn 2 Personen und ein einziges Feuer genügen würden, um alle diese Fleischportionen und alle diese Gemüse zuzubereiten? Wählet euch euren Rinder- oder Hammelbraten aus, wenn ihr Feinschmecker seid. Würzet eure Gemüse nach eurem Geschmack, wenn ihr diese oder jene Sauce vorzieht! Aber begnügt euch mit einer Küche, die ihr geräumig anlegen möget und mit einem Herde, auf dessen Anlage ihr allen Luxus und alle Sorgfalt verwenden möget.

Warum ist die Arbeit der Frau stets für nichts gerechnet worden, warum sind in jeder Familie die Mutter und häufig noch 3 oder 4 Dienerinnen gezwungen, ihre ganze Zeit den Geschäften der Küche zu widmen? Weil diejenigen, welche die Befreiung des Menschengeschlechtes wollen, die Frau in ihrem Emanzipationstraum nicht begriffen haben und es mit ihrer hohen männlichen Würde für unvereinbar halten, an die Geschäfte der Küche zu denken; sie ziehen es vor, sie auf die Schultern des großen Leidens- und Schmerzenskindes – der Frau abzuwälzen.

Die Frau zu emanzipieren heißt nicht, ihr die Pforten der Universität, des Advokatenstandes und des Parlaments öffnen. Dies letztere

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/112&oldid=- (Version vom 3.6.2018)