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Walther Kabel: Die Aschenurne. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 8, S. 180–188

Und dann wieder unterbrach er mich einmal mitten in einem Satz und sagte ganz zusammenhanglos: „Ich werde ohne sie nicht weiterleben können – nein, nein … das geht über meine Kraft!“ –

Eine Woche war seit Ellinors Einäscherung vergangen. Erich wurde immer stiller, immer gleichgültiger gegen seine Umgebung. Er, der früher jede freie Minute am Schreibtisch gesessen hatte und den eine ihn selbst begeisternde neue Novelle bis zum Morgengrauen wachhalten konnte, rührte keine Feder mehr an. Meine energischsten Vorstellungen halfen nichts. Und bisweilen bemerkte ich jetzt in seinen Augen einen seltsam wirren, unsicheren und dabei beängstigend stumpfen Ausdruck.

Meine Sorge um ihn wuchs von Tag zu Tag. Am liebsten hätte ich ihn in irgend ein Sanatorium für Nervenkranke geschickt, zumal mir ein befreundeter Arzt, der ihn einmal auf der Straße getroffen und auch sehr verändert gefunden hatte, warnend sagte: „Er wäre ja nicht der erste, den die Liebe ins Irrenhaus gebracht hat.“

Dann besuchte er mich eines Nachmittags in meiner Wohnung. Es geschah zum ersten Male nach Ellinors Tod, und deshalb war ich sehr froh über sein Kommen. Ich merkte bald, daß er irgend etwas auf dem Herzen hatte.

Ruhelos wanderte er im Zimmer auf und ab. Plötzlich blieb er vor mir stehen. „Glaubst du eigentlich an eine Fortexistenz der Seele nach dem Tode?“ meinte er ganz unvermittelt.

Als ich meiner Überzeugung gemäß die Frage bejahte, sagte er wie zu sich selber sprechend: „Es muß ja auch sein, es muß! Sonst wäre das ja nur eine Sinnestäuschung gewesen.“ Und nach einer kurzen

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Walther Kabel: Die Aschenurne. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 8, S. 180–188. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Aschenurne.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)