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Oder – – nein, den Gedanken, der Richard jetzt durch den Kopf gezuckt war, ließ er schnell wieder fahren! Derselbe war so kühn gewesen, daß er darüber förmlich erschrak.

In diesem Momente näherte sich ihm ein Taucher, ein sehr großer Mann. Wieder sah dieser erst durch das Fenster des Glockenhelmes in Richards Gesicht, wieder meinte Richard die starren, farblosen Züge eines Toten zu erblicken, dann setzte auch dieser Taucher seinen Schallbecher an Richards Helm.

„Mach’ zu, Sechsundzwanzig,“ erklang es drohend, „wir müssen die Steine noch hereinbekommen und verladen, um acht Uhr sollen wir abfahren, der Meister hat eine Depesche geschickt; heute abend soll über den Verräter zu Gericht gesessen werden.“

Diese Leichenzüge, diese starren Augen, diese Worte, mit furchtbar drohender Stimme gesprochen – sie ließen Richard wieder vor Furcht erschauern; zugleich aber wußte er auch, was er zu thun habe, um seinem Verhängnis zu entgehen.

Man hielt ihn für einen der Meeresbewohner, man nannte ihn Nummer Sechsundzwanzig, so mußte Richard also jetzt diese Rolle spielen und alles Weitere Gott überlassen! Nur jetzt durfte er sich nicht verraten, er mußte sich erst sammeln, vielleicht fiel ihm noch ein Ausweg ein.

So eilte er auf den Bauplatz, ergriff eine daliegende Hacke, hieb wie die anderen auf den Boden ein, untergrub den Untergrund, um ganze Mauern zum Sturze zu bringen, zog mit an den Drahtseilen, wenn die anderen daran zogen, und wälzte die abgebrochenen Steine in den Eisenschuppen.

Niemand von den Tauchern merkte, daß sich ein Fremder unter ihnen befand, und dennoch lag die Gefahr, als solcher erkannt zu werden, für diesen sehr nahe. Denn Richard beobachtete, wie sich die Taucher manchmal durch eine Fingersprache unterhielten, und wenn er jetzt mit diesen Zeichen etwas gefragt wurde und er vermochte nicht zu antworten, so war er verraten; ebenso freilich auch, wenn sich die richtige Nummer Sechsundzwanzig einstellte, der er ähnlich sehen mochte, wenn er als Ueberzähliger erkannt wurde!




Empfohlene Zitierweise:
Robert Kraft: Die Ansiedelung auf dem Meeresgrunde. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Ansiedelung_auf_dem_Meeresgrunde.pdf/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)