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Nun ist es ein merkwürdiger Zufall, vielleicht auch mehr, daß Antonius (c. 42) und sein Biograph (c. 9) die bösen Dämonen zwar nicht „Hunde“ der Hekate, wohl aber „Hunde“ des Satans nennen und sich Bild und Ausdrucksweise der heidnischen Zeit aneignen. Wichtiger als diese äußere Verwandtschaft ist aber die Tatsache, für welche ich mit Absicht soviele Belege erbracht habe, daß nach dem allgemeinen Volksglauben des Altertums Angstanfälle, schreckhafte Scheingebilde, unheimliche Stimmen, Alpträume und Epilepsie, exaltierende Fieber und Gehirnaffektionen dämonischer Natur sind. Der zu Ehren der Fiebergottheit erbaute Tempel, welchen Plinius erwähnt, ist ein äußeres Denkmal dieses Vollksglaubens.[1]

     Wenn die bisherigen Darlegungen richtig sind, dann besteht ein starker Gegensatz zwischen unserer Anschauung von den Krankheitsursachen und dem Volksglauben des Altertums. Wir ständen dann einem weitverbreiteten medizinischen Aberglauben gegenüber, der aus der primitiven Vergötterung der Naturkräfte und -vorgänge geflossen ware. Ehe wir aber einen Schluß von solcher Tragweite wagen, bedürfte es doch zunächst des Klaren Nachweises, daß jene in Rede stehenden dämonischen Phänomene wirklich auch identisch sind mit den Fieberdelirien, Träumen und Gehirnaffektionen, welche die alte und die heutige medizinische Wissenschaft natürlich zu erklären vermag. Dieser Nachweis ist um so notwendiger, weil wiederholt die Überzeugung ausgesprochen worden ist, Gott habe während der Herrschaft des Heidentums den Dämonen eine größere Macht über den Leib des Menschen eingeräumt als in unseren Tagen.

     Nun hat man zunächst im Altertum gewußt, daß das Erscheinen der Dämonen für gewöhnlich in irgendeinem Zusammenhang mit physiologischen Vorgängen steht. Jedoch herrscht zwischen der ärztlichen Ätiologie und Therapie des Altertums und dem gleichzeitigen Volksglauben ein großer Unterschied. Ein typisches Beispiel dafür bieten die Symptome des Alpdrucks. „Der sog. Ephialtes, erklärt der Arzt Oribasius, ist kein böser Dämon.“[2] Schon rein sprachlich ist die Bezeichnung des Alpdämons als Ephialtes hergeleitet von επίαλος und bezeichnet (= βαρυχνᾶν) einen pathologischen Zustand des Magens oder von ἠπίαλος und bedeutet dann den Schauder, der dem Fieber vorangeht. „Das aus überfülltem Magen kommende und zu Kopf steigende Gefühl der Beklemmung und der Erstickungsnot im Schlaf mit ausbrechendem Angstschweiß hieß bei den Ärzten ἐφιάλτης. Es war in alter Zeit durch die Traumphantasie des Geplagten verkörpert worden in der Gestalt eines der Brust aufhockenden Dämons, der nach endlichem Erwachen verschwunden schien.“[3] „Mit den Ansichten der antiken Ärzte von der Entstehung des Alptraums stehen auch die von ihnen dagegen verordneten Heilmittel und diätetischen Maßregeln in bestem Einklang. Die meisten und wichtigsten von ihnen haben, der Grundlage der alten Medizin von den Säften entsprechend, den Zweck, die schädlichen krankhaften Säfte zu entfernen und in gesunde zu verwandeln. Diesem Zwecke diente vor allem der an erster Stelle empfohlene Aderlaß und verschiedene Abführmittel, namentlich eine Mischung von schwarzem Elleboros und dem Safte der Skammonia, mit einem Zusatz von


  1. Plinius, Nat. hist. 2, 16 (B. Teubn. I 132).
  2. Oribasius, Synops. 8, 2 ed. Bussemaker et Daremberg, Paris 1873, V pg. 402 (Roscher, Ephialtes 22).
  3. Pauly–Wissowa, Realenzykl. d. klass. Altertumsw. [1905] zu Ephialtes Sp. 2847 f.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Stoffels: Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius. Ferdiand Schöningh, Paderborn 1910, Seite 817. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Angriffe_der_D%C3%A4monen_auf_den_Einsiedler_Antonius_817.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)