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die Menschen irregeführt (c. 33) und sich von ihnen göttliche Huldigung erweisen lassen (c. 78. 79). Auch jetzt noch suchen sie durch Prophezeiungen die Mönche zu betören, indem sie ihnen das Steigen des Nils (c. 32) oder die Ankunft von Reisenden (c. 31) einige Tage zuvor ankündigen.[1]

     Dazu kommt, daß sie durch immer wechselnde Gestalten die Menschen zu erschrecken vermögen. Das sind gewiß Momente, welche eine nervöse Furcht wacherhalten können, selbst da, wo der Glaube an den Sieg Christi über die Macht der Dämonen lebendig ist. Die Dämonophobie des Einsiedlers hat indes noch einen spezielleren Grund. Antonius wurzelt tief in der alten Volksanschauung, daß die Dämonen sich vornehmlich bei Grabmälern und in der Wüste aufhalten. Sie versicherten ja auch dem Einsiedler, und zu anderer Zeit den beiden großen Aszeten Makarius von Ägypten und von Alexandrien, daß durch die Ausbreitung des Christentums ihre Bewegungsfreiheit außerordentlich bedroht sei, und daß sie ihre letzte Position, die Wüste, mit aller Energie zu verteidigen gedächten.[2] So bekommt – das klingt deutlich aus der Schrift des hl. Athanasius hervor – das aszetische Ideal des Antonius den Einschlag, er müsse durch sein Vordringen zu den Grabmälern und durch die Eroberung der Wüste den Feind aus seinem eigentlichen Gebiete verdrängen. Man vergegenwärtige sich die Situation: der Einsiedler ist weit von menschlicher Hilfe entfernt, tief in der unheimlich stillen Wüste. Sein Glaube sagt ihm, daß die ganze Luft um ihn von listigen Dämonen erfüllt ist, welche die treuen Diener Gottes zu schrecken und zu quälen trachten. In Augenblicken, wo der feste und lebendige Glaube an Christi Sieg über die Dämonen im Blickpunkt seines Bewußtseins steht, mag er die Dämonen mitleidig belächeln. Aber der einzelne Glaubensakt sinkt unter die Bewußtseinsschwelle. Das Gefühl der Schwäche, welches die kontemplative Überanstrengung oder die in Wüstenhitze, Fasten und Nachtwachen begründete körperliche Erschöpfung begleitet, überkommt ihn. Es flimmert ihm vor den Augen. Seine sensible nervöse Natur schrickt auf. Zuerst vielleicht in der Nacht, dann auch bei Tage treten ihm leibhaftige Schreckbilder entgegen und unheimliche Stimmen umrauschen ihn. Es bedarf immer wieder eines neuen Glaubensaktes an Christi Kraft und einer lebhaften Willensanstrengung, um über die Angstanfälle seiner überreizten Natur den Sieg zu gewinnen. Wer bewundert nicht die heroische Selbstbezwingung, die einen Antonius in die Wüste trieb und ihn dort ausharren hieß! Aber die Gegensätze zwischen seiner physiologisch verstärkten Dämonenfurcht und seinem Christusglauben drohen, seine Konstitution zu zerreiben, und sie hätten es getan, wenn er nicht eben ein Antonius gewesen wäre. Aber ein Opfer hat er doch den Verhältnissen bringen müssen. Es mußte sich bei ihm gerade der Zustand ausbilden, den man heute mit den Namen: Phobien und Zwangsgedanken bezeichnet: häufig


  1. Antonius weiß diese Prophezien natürlich zu erklären. „Was ist Wunderbares daran, daß sie, die feinere Körper besitzen als die Menschen, vorauseilen und es anmelden, wenn sie Reisende aufbrechen sahen!“ (c. 31). Auch Augustinus erklärt die dämonischen Prophezien aus der Schnelligkeit ihres ätherischen Körpers. „Daemonum eam esse naturam, ut aerii corporis sensu terrenorum corporum sensum facile praecedant, celeritate etiam propter eiusdem aerii corporis superiorem mobilitatem non solum cursus quorumlibet hominum vel ferarum, verum etiam volatus avium incomparabiliter vincant“ (August. De divinatione daemonum III 7, ed. Zycha, CSEL 41, 603).
  2. Siehe S. 724 f.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Stoffels: Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius. Ferdiand Schöningh, Paderborn 1910, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Angriffe_der_D%C3%A4monen_auf_den_Einsiedler_Antonius_812.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)