Seite:Die Anfänge des musikalischen Journalismus Seite 33.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und der Zeit beachteten sie nicht genügend. Häufig kämen der Schaulust des Publikums zu Liebe in einer Oper 12 verschiedene Situationen vor, welche natürlich nur durch die unwahrscheinlichsten Motivierungen zu der Handlung passend gemacht werden könnten.

So wenig wie sich der Komponist bemühe, eine dem Charakter der handelnden Personen entsprechende Musik zu schaffen, so wenig bekümmerten sich im allgemeinen auch die Sänger darum, durch schauspielerische Darstellung die Gestalten des Dichters zu veranschaulichen. „Wir sehen die Traurigen mit einem lachenden Munde ihre Triller machen. Ja das Wort, dolore, oder morir, wird durch ihre kräuselnden Figuren zu einer lustigen Sache gemacht.“ (S. 74.)

Scheibe, der überall Natur und Vernunft zur Richtschnur seiner reformatorischen Bestrebungen machte, bewies dies auch in der Bekämpfung des Kastratentums. Er spottete (S. 153) über die Unnatur, die darin liege, dass Alexander von einem Kastraten oder gar von einem verkleideten Weibe dargestellt werde. Um diesen, ebenfalls den Italienern nachgeahmten Fehler zu vermeiden, schlägt Scheibe die Ausbildung der in Deutschland so zahlreich vertretenen Männerstimmen und der Singstimmen überhaupt durch besondere Gesangsschulen („Pflanzgarten“) vor. Scheibe ist auch in dieser Anregung zur öffentlichen Pflege des Gesanges der erste. Dass die Einrichtung von Singschulen in Deutschland ein Bedürfnis war, beweisen die in den Zeitschriften des ganzen 18. Jahrhunderts beständig wiederkehrenden Klagen über schlechten Gesang. Im 63. Stück entwirft Scheibe übrigens einen vollständigen Plan zur Gründung von musikalischen Akademieen, welche, aus wissenschaftlich gebildeten Männern und praktischen Musikern zusammengesetzt, für die Ausarbeitung eines Systems thätig sein müssten, deren Mitglieder aber ausserdem junge Musiker unterrichten sollten. Bereits Printz hatte die Musik in den Lehrplan der Universitäten aufgenommen wissen wollen (Mizler, Bibliothek Bd. I, Teil 4), Mizler hatte öffentliche musiktheoretische Vorlesungen gehalten, aber Scheibe kam mit einem Plan hervor, der