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Walther Kabel: Die Abnahme unserer Sinnesorgane (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 7)

verständigten, daß sich ziemlich dicht vor uns die Lagerstätte einer Pumafamilie befinden müsse. Vorsichtig, die Büchse schußbereit im Arm, schritt ich weiter, während die beiden Rothäute, die die Fackeln trugen, ängstlich hinter mir Deckung suchten. Zwanzig Schritte weiter wurde der Gang plötzlich zu einer geräumigen Höhle, und gleichzeitig sah ich auch durch eine Öffnung mir gerade gegenüber Tageslicht in den Raum hineinfallen. Halb geblendet suchte ich das in der Höhle herrschende Zwielicht mit den Augen zu durchdringen, als auch schon ein warnendes Fauchen von der linken Seite mein Ohr erreichte und mich veranlaßte, schleunigst in den Felsgang zurückzutreten. Denn meine Büchse hätte ich in dem Halbdunkel kaum gebrauchen können, und einem Puma mit dem Jagdmesser gegenüberzutreten, dazu war ich doch zu vorsichtig.

Kurz entschlossen riß ich einem meiner Führer eine Fackel aus der Hand und schleuderte sie mit aller Kraft um die Ecke nach jener Stelle hin, wo ich das drohende Fauchen vernommen hatte. Die List half. Ein Pumaweibchen mit zwei bereits ziemlich entwickelten Jungen verschwand durch die Öffnung ins Freie, freilich nicht schnell genug, um mir nicht noch Gelegenheit zu geben, ihr eine Kugel nachzusenden. Wir haben den Puma, dem ich die rechte Hinterpranke zerschmettert hatte, nachher erlegt und die Jungen lebend mit nach Coira, dem nächsten Städtchen, gebracht.

Die beiden Indianer waren also von ihren Nasen nicht betrogen worden. Sie hatten die Raubtierausdünstungen der Pumafamilie auf eine Entfernung von fünfhundert Schritten gewittert, obwohl die Höhle, deren Ausgang in eine Schlucht mündete, durch die reichlich mannshohe Öffnung recht gut gelüftet wurde und die Zugluft, wie ich feststellte, sich nicht so in den Felsgängen bewegte, daß die Gerüche der Stelle zugetragen wurden, wo wir in den Berg eingedrungen waren. Jede andere Europäernase hätte hier fraglos ebenso versagt wie die meinige.“

W. K.
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Walther Kabel: Die Abnahme unserer Sinnesorgane (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 7). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Abnahme_unserer_Sinnesorgane.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)