Seite:Die Abassiden (Platen).pdf/54

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Dein Besuch, noch ehe du mein gedachtest,
Schwebte mir im Geiste vor, und ehe
Her du kamst, um Hülfe heischend, half ich.

235
Diesen Schlüssel nimm, o Sohn Abdalla’s,

Denn er öffnet jene Pyramide.
Steig hinab, und wenn in einem großen
Saal du anlangst, dessen gläserne Wände
Tausendfach dein eigenes Selbst verdoppeln,

240
Wirst du finden sechs metallne Bilder

Aus massivem Gold, Juwelenkronen
Auf dem Haubt und diamantene Zepter
Jede haltend. Diese magst du laden
Auf ein Schiff und gegen Cairo führen;

245
Denn sie sind dein Eigenthum, und willig

Ueberläßt sie dir der Geisterkönig.
Aber höre, was er mild hinzufügt!
Noch ein siebentes Bild besitzt in seinem
Schatzgewölb’ er, ein unschätzbar Kleinod,

250
Das allein, wiewohl ein einziges, höhern,

Millionenmale höhern Werts ist,
Als die sechs genannten. Jenes Bildniß
Bietet gern dir an der Geisterkönig;
Doch bedingnißweise nur, du mußt ihm

255
Einen Dienst erzeigen. Höre, welchen!

Eine Jungfrau, welche sechzehn Sommer
Ueberschritten hat, jedoch in höchster
Herzensunschuld keines bösen Triebs sich
Je bewußt war, eine solche mußt du

260
Als ein Opfer für den Geisterkönig

Meinen Händen überliefern! Nimm hier
Diesen Spiegel! Nur der reinen Jungfrau,
Deren Innres nie geheimer Vorwitz
Nach verbotener Lüsternheit bewegte,

265
Wird ein Bild aus ihm entgegentreten;

Jede trübere Seele trübt sogleich ihn.

Empfohlene Zitierweise:
August Graf von Platen: Die Abbassiden. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Abassiden_(Platen).pdf/54&oldid=- (Version vom 31.7.2018)