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lange vorbereitet, Hermann Fischer ans Licht gebracht hat. In zwei stattlichen Bänden ist ein „Wörterbuch der Elsässischen Mundarten“ von Ernst Martin (gest. 13. August 1910) und Heinrich Lienhart schon 1907 zum Abschluß gebracht, 1908 begann, von H. Schullerus geleitet das „Siebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch“ zu erscheinen; Idiotiken des Deutsch-Lothringischen und des Deutsch-Luxemburgischen liegen vor, von kleineren Sammlungen nicht zu reden, und mehr als ein Dutzend größerer Unternehmungen sind gegenwärtig im Werke, allen voran das auf breitester Basis der gesamten Volkskunde aufzubauende neue Bayrisch-Österreichische Wörterbuch, dem Jos. Seemüller die tüchtigsten seiner Schüler zuführt.

Die Lexikographie nimmt überhaupt gegenwärtig eine große Anzahl älterer und jüngerer Kräfte in Anspruch. Durch das hervorragende Geschick, mit welchem Friedrich Kluge in seinem „Etymologischen Wörterbuch“ auf engem Raume eine Fülle von Tatsachen und Vermutungen zur Wortdeutung vorlegte, ist das Ansehen und der Glaube an die Etymologie stark angewachsen, obwohl der Verfasser selbst, wie vor allem seine „Zeitschrift für deutsche Wortforschung“ (seit 1901) zeigt, mehr und mehr den Akzent auf die Wortgeschichte legt. Der Wortgeschichte in erster Linie dient auch das „Deutsche Wörterbuch“ der Brüder Grimm, das, durch Todesfälle und andere widrige Umstände vielfach gehemmt, in den letzten Jahren in rascherem Tempo dem Abschluß entgegenschreitet, nachdem das Deutsche Reich die Kosten der Weiterführung großenteils auf sich genommen und der „Deutschen Kommission“ die Fürsorge und Oberaufsicht über das Unternehmen übertragen hat, für das in Göttingen eine Zentralsammelstelle eingerichtet wurde.

Berlin hat zu allen Zeiten für die Wissenschaft von deutscher Sprache und Literatur seine Bedeutung gehabt: von J. Vorstius, dem Bibliothekar des Großen Kurfürsten, ab bis auf Müllenhoff und Scherer und ihre Nachfolger. Die älteste gelehrte Korporation der Hauptstadt freilich, die Königl. Preußische Akademie der Wissenschaften, hat die Germanisten wohl als geschätzte Mitglieder aufgenommen, aber größern Unternehmungen auf dem Gebiete unserer Wissenschaft sich lange versagt; es war eine Ausnahme, als das mächtige vielbändige Korpus der „Althochdeutschen Glossen“ von Elias Steinmeyer und Eduard Sievers (1879 ff.) mit ihrer Unterstützung ans Licht trat.

Das ist anders geworden unter der Regierung Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelms II, insbesondere seit dem Jubiläum der Akademie im Jahre 1900, das recht eigentlich einen Jubeltag für die Wissenschaftsgebiete der deutschen Sprachkunde, Literaturgeschichte und Altertumswissenschaft bedeutet. Drei neue akademische Stellen wurde für ihre Vertreter begründet, und von den reichen Mitteln, die für wissenschaftliche Aufgaben und Zwecke ausgeworfen wurden, erhielten die deutschen Studien einen beträchtlichen Anteil zugewiesen. Eine ganze Reihe von neuen, zum Teil umfassenden Unternehmungen sind von der „Deutschen Kommission“ entweder direkt ins Leben gerufen oder unterstützt worden. Der mundartlichen Lexikographie greift sie tatkräftig unter die Arme im Osten und im Westen der Monarchie; in großen kritischen Ausgaben legt sie die Werke Wilhelm von Humboldts und Wielands vor und läßt weitere Leistungen ähnlicher Art erhoffen; sie ermöglicht die weitausgreifende Forschungen Konrad Burdachs zur Geschichte der deutschen Bildung, die unter dem Titel „Vom Mittelalter zur Reformation“

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/69&oldid=- (Version vom 20.8.2021)