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und der alten Soldaten insbesondere, denen vom Exerzierplatz her das Lautsein zur Gewohnheit geworden ist. Daß sie aber auch eine Macht sind und werden können, hat das Vorgehen der schlesischen Kriegervereine gegen das verfehlte Festspiel von Gerhart Hauptmann gezeigt, das dann freilich durch das ästhetische Verdikt aller derer, die nicht politisch oder ästhetisch befangen waren, seine nachträgliche Bestätigung erhalten hat: nicht die Freiheit der Kunst, sondern lediglich die Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit eines armseligen Puppenspiels zur Feier einer so großen und heiligen Sache, wie es die Erinnerung an 1813 ist, stand dabei in Frage.

Jungdeutschlandbund.

Für die Wehrhaftigkeit und körperliche Ertüchtigung der Jugend sorgen dann weiter eine ganze Reihe von Vereinen und Verbänden, die neuerdings ihre große Zusammenfassung in dem Jungdeutschlandbund gefunden haben und in dem Namen „Jugendpflege“ ihren Zweck und ihre Rechtfertigung suchen und finden. Unsere deutsche Bildung war lange Zeit einseitig, ausschließlich oder doch vorwiegend intellektualistisch orientiert; man schien vergessen zu haben, daß nur ein gesunder und kräftiger Körper auf die Dauer geistige Arbeit zu leisten vermöge. Da waren Ergänzungen nötig: auf geistigem Gebiete die Ergänzung der intellektuellen Bildung durch erzieherische Einwirkung auf Gefühl und Willen, wofür die Kunsterziehungstage und der Gedanke der Arbeitsschule das öffentliche Interesse zu wecken suchten. Die ganze Schulreformbewegung, die die Geister zeitweise so lebhaft beschäftigt und so stark in Atem gehalten hat, war letzten Endes gegen diese intellektualistische Einseitigkeit gerichtet und suchte gegen sie Schutz- und Hilfsmittel der verschiedensten Art. Das zweite aber war die Erweiterung des spärlichen Schulturnens durch die Einführung von allerlei Spiel und Sport, zu dem man die Jugend bald von seiten der Schule anzuleiten und zu ermuntern suchte oder das die Jugend selbst und freiwillig in eigenen Vereinen wie Wandervögeln oder Pfadfindern in die Hand nahm und pflegte. Diese Bestrebungen zur körperlichen Ertüchtigung unserer Jugend zu organisieren und zusammenzufassen ist die Aufgabe des Jungdeutschlandbundes, in dem nicht bloß die Schule und die Jugend, sondern auch freiwillige Helfer aller Art, namentlich auch Offiziere sich zur Jugendpflege zusammenfinden, Knaben und Jünglinge in die Natur hinausführen, sie tüchtig spielen und körperlich sich üben und betätigen lassen und ihnen dabei auch Freude an der Natur und vaterländisches Hochgefühl in die Brust pflanzen.

In fröhlichem Gewimmel sieht man allsonntäglich die Jugend hinausziehen aus den Städten aufs Land, in Gottes freie und schöne Natur und sich lustig und kräftig darin tummeln, ihre Glieder brauchen und ihre Sinne üben, patriotische Lieder singen und für Männer wie den Grafen Zeppelin sich enthusiastisch begeistern. Ein erfreulicher Eifer dafür ist überall wach geworden und verheißt uns das Heranwachsen eines gesunden und starken, eines freudigen, willenskräftigen und patriotischen Geschlechts.

Aber vor allerlei Gefahren, die zum Teil bereits sichtbar sind, wird sich diese Bewegung doch zu hüten haben. Man denkt dabei auch sozial an eine wohltätige Mischung der verschiedenen Klassen und Stände. Allein die sozialdemokratische Jugendpflege

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/547&oldid=- (Version vom 12.12.2020)